Österreich will klimaneutral werden. Ein Schlüsselfaktor dabei ist die Verkehrspolitik. In der „Die Presse“-Serie über Österreichs Klimapolitik meint ein Verkehrsexperte: „Möglich, aber nur mit drastischen Maßnahmen“.
Der Ausstoß von Treibhausgasen stammt vor allem aus zwei Quellen: Energie und Industrie sowie Verkehr – beide Sektoren machen etwa zwei Drittel des gesamten Ausstoßes an klimarelevanten Gasen aus. Die Mobilität ist dabei für knapp ein Drittel verantwortlich (mit starken regionalen Unterschieden). Und es ist der einzige Bereich, der in den vergangenen Jahrzehnten regelrecht explodiert ist. Abgesehen vom heurigen nicht typischen Corona-Jahr, sind Zulassungszahlen in der jüngsten Vergangenheit tendenziell gestiegen, ebenso ist der Trend zu Autos mit höheren Motorleistungen und zu höheren Jahreskilometerleistungen ungebrochen.
Am Institut für Verkehrstechnik der Technischen Universität Wien beobachtet und analysiert man diese Entwicklungen seit Jahr und Tag. Günter Emberger, außerordentlicher TU-Professor und Leiter der beiden Forschungsbereiche Verkehrstechnik und -planung sowie Eisenbahnwesen, Verkehrswirtschaft und Seilbahnen, sagt: „Wenn wir das schaffen wollen (ein Minus von 55 Prozent bis 2030 und Klimaneutralität bis 2040, Anm. d. R.), dann brauchen wir starke, sehr starke, drastische Maßnahmen.“ Die Schlagworte dazu lauten: flächendeckende Bewirtschaftung der Parkplätze auf öffentlichem Grund, dynamisches Smart-Road-Pricing, Ende des Dieselprivilegs. „Solange wir das Bewusstsein nicht ändern, solange sind verkehrspolitische Reduktionsziele auch nicht erreichbar.“
Emberger erläutert, dass es derzeit keine Hinweise gebe, dass eine Trendwende bevorstehe. „Wir müssen uns der Frage ein wenig emotionsloser nähern“, meint der Wissenschaftler. „Es geht ja nicht um das Verkehrsmittel, sondern um Mobilität an sich, die sichergestellt werden muss.“ Verkehrspolitisch müsse der Hebel beim Angebot des öffentlichen Verkehrs werden. „Es zeigt sich ganz deutlich, dass die Menschen aufs Auto verzichten, wenn die Öffi-Verkehrsverbindungen attraktiv genug sind.“ Für den Techniker hat ein Parkplatz lediglich die Funktion einer Haltestelle – man wechselt von einem umweltfreundlichen Verkehrsmittel (Zu-Fuss-Gehen oder Radfahren) auf ein motorisiertes Verkehrsmittel (Bus, Bahn oder eben das Auto).-. „Solange Haltestellen weiter weg sind als das eigene Auto, sind öffentliche Verkehrsmittel im Hintertreffen.“
Deshalb seien auch Investitionen in den Straßenverkehr äußerst kritisch zu betrachten, meint Emberger: „Österreich hat – bezogen auf die Einwohnerzahl – eines der dichtesten Netze hochrangiger Straßen. Aus der Perspektive der Klimapolitik ist jeder Kilometer hochrangiger Straßen, der gebaut wird, kontraproduktiv und nicht nachvollziehbar.“
E-Autos hält er für keine Lösung. „Die sind nicht mehr als eine Symptom-Behandlung.“ In den Städten seien Autos ja deshalb problematisch, weil der zur Verfügung stehende Raum begrenzt ist (Stau, Parkplätze). Bei Elektromobilen kämen zwar keine Abgase aus dem Auspuff, „aber das Feinstaub-Problem wird nicht gelöst. Und wir handeln uns mit den Batterien andere Umweltprobleme ein. Lithiumabbau zum Beispiel. Wir müssen auch die Frage stellen, wie nachhaltig E-Mobile überhaupt sind: Ist es überhaupt möglich, diese Technologie weltweit einzusetzen?“
Lesen Sie morgen: Welche Chancen eine progressive Klimapolitik liefern kann.