Impfung

Erste Corona-Vakzine für hochbetagte Risikopatienten

Die erste Impfung gegen das Coronavirus in Österreich wird einer Frau über 80 Jahre von Ursula Wiedermann-Schmidt verabreicht
Die erste Impfung gegen das Coronavirus in Österreich wird einer Frau über 80 Jahre von Ursula Wiedermann-Schmidt verabreichtAPA/HANS PUNZ/APA-POOL
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Symbolische Starts für die größte Impfkampagne des Landesin vielen Bundesländern: In Wien erhielten drei Frauen und zwei Männer die ersten Teilimpfungen. Bundeskanzler Kurz spricht von einem historsichen Tag.

Die Pensionistin Theresia Hofer ist die erste Österreicherin gewesen, die am Sonntag gegen das Coronavirus geimpft worden ist. Ursula Wiedermann-Schmidt, Vorsitzende der österreichischen Impfkommission, injizierte Hofer und vier weiteren Patienten je eine Dosis der ersten in der EU zugelassenen Corona-Vakzine von Biontech/Pfizer - komplikationslos. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach von einem "historischen Tag".

"Die Impfung ist der Anfang vom Sieg über die Pandemie, sie ist ein 'Gamechanger'", wiederholte der Kanzler seine Worte der vergangenen Tage. Hofer freue sich sehr, dass es endlich so weit war, weil sie Lust habe, ihre Enkel und Urenkel wieder zu treffen, schilderte der bei den ersten Immunisierungen anwesende Kurz den für die Niederösterreicherin bewegenden Moment. In der Nacht auf Samstag hatte die erste Lieferung von Biontech/Pfizer bei Suben die österreichische Grenze passiert. Noch am Samstag wurden die ersten 10.000 Impfdosen an die Bundesländer ausgeliefert, wo großteils noch am Sonntag mit den ersten Impfungen gegen das Virus SARS-CoV-2 begonnen werden sollte.

Richtig losgehen wird es mit den größeren Lieferungen nach dem Jahreswechsel. Kurz skizzierte den Plan in drei Phasen. Die erste umfasst die Immunisierung der Hochrisikogruppe - Menschen über 80 mit einem Fokus auf Pflegeheimen. In der zweiten Phase sollen ältere Menschen und Mitarbeiter der kritischen Infrastruktur vorrangig geimpft werden, bevor in der dritten Phase alle Österreicher drankommen sollen, die das auch wollen. Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonten in einer Pressekonferenz erneut, dass an eine Impfpflicht nicht gedacht ist. "Der heutige Tag zeigt, dass es möglich sein sollte, bis zum Sommer zur Normalität zurückzukehren", hoffte der Kanzler.

"Wir haben jetzt eine Perspektive"

Anschober sprach von einer "schlimmen Bilanz des Jahres 2020": 80 Millionen Menschen seien weltweit infiziert worden, 1,75 Millionen an oder mit Covid-19 gestorben. Das Jahr habe aber ein "großartiges Ende". Die Impfung sei das Zeichen, dass eine Wende im Kampf gegen die Corona-Pandemie eingeleitet werde. "Wir haben jetzt eine Perspektive, eine Hoffnung, eine Chance."

Der Gesundheitsminister betonte auch, dass der 27. Dezember ein "großer Tag für die EU" sei, welche die Impfung gemeinsam beschafft habe und deren Mitgliedsstaaten gemeinsam mit den Impfungen beginnen. Anschober räumte aber ein, dass nicht von heute auf morgen alles vorbei sein werde. "Wir haben noch nicht gewonnen, aber die Impfung ist der entscheidende Schlüssel, um die Pandemie wirklich zu besiegen." Man brauche aber Geduld, "wir sind abhängig von weiteren Marktzulassungen", so Anschober. "Das Ziel ist, dass wir spätestens bis zum Herbst so gut mit Impfungen ausgestattet sind, dass wir uns vor dem nächsten Herbst und Winter nicht mehr fürchten werden."

Die zweite Lieferung von Biontech/Pfizer werde nächste Woche erwartet, "in der zweiten Jännerwoche wird es flächendeckend so richtig losgehen", kündigte der Gesundheitsminister an. Zusätzlich habe man sich von Biontech/Pfizer weitere 1,962 Millionen Dosen gesichert, damit wird die Pharmakooperation rund vier Millionen liefern. Der Geschäftsführer von Pfizer Österreich, Robin Rumler, sprach sogar von genügend Impfdosen seines Unternehmens für knapp drei Millionen Österreicher, was bei zwei Teilimpfungen pro Patient knapp sechs Millionen Dosen bedeuten würde.

„Gut verträglicher Impfstoff"

Wiedermann-Schmidt, auch Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie, sagte, dass bei den ersten fünf Impfungen keine einzige Reaktion aufgetreten sei. "Wie es ausschaut, ist es im ersten Blick ein gut verträglicher Impfstoff." Sie geht davon aus, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer auch gegen die zuletzt aufgetretene Mutation des Coronavirus wirksam ist. "Wir wissen, dass es immer wieder Mutationen gibt. So wie es aussieht, sind die aber nicht von einer so großen Veränderung, dass der Impfstoff nicht wirken sollte."

Wie die Impfstoffe unter die breite Bevölkerung gebracht werden, soll in den nächsten Tagen öffentlich erläutert werden. Anschober sprach von einem e-Bestellsystem. Ob - wie etwa in Slowenien - sich Impfwillige registrieren können, die dann verständigt werden, wenn ihre Bevölkerungsgruppe an der Reihe ist, blieb offen. In Alters-und Pflegeheimen werde jedenfalls zuerst geimpft, bekräftigte der Gesundheitsminister.

Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, sagte er habe volles Vertrauen zu dem Impfstoff. "Wir haben eine erste Impfung, die uns vor der Infektion schützt und gut verträglich ist." Unisono wiesen Politiker und Experten auf die Rolle der Forschung hin. Wiedermann-Schmidt sagte, sie sei noch gegen Ende dieses Sommers skeptisch gewesen, dass ein Impfstoff mit Beginn 2021 zur Verfügung stehen werde.

Anschober betonte, es schaue bezüglich einer Zulassung in der EU auch für die Vakzine des US-Unternehmens Moderna gut aus. Diese sollte Anfang Jänner erfolgen. Er wies auch auf geleakte Teilergebnisse des Impfstoffes von AstraZeneca in Kooperation mit der Universität von Oxford hin, die ebenfalls einen 95-prozentigen Schutz gegen das Coronavirus versprechen. Auch da dürfte die Marktzulassung nicht mehr allzu fern sein. Kurz und Anschober nannten diesen Impfstoff einen Teil bei der heimischen Impfkampagne. Angesichts der großen Mengen, die Österreich beispielsweise von Biontech/Pfizer erhalten wird, glaubt der Kanzler aber nicht, dass der AstraZeneca-Impfstoff für die breite Masse die Hauptvakzine sein wird. "Das wird ein Mix aus mehreren Unternehmen sein", sagte Kurz.

"Sieg der Wissenschaft"

Rumler sprach nach der ersten Covid-Impfung in Österreich von einem "Sieg der Wissenschaft". Eine Studie habe die 95-prozentige Wirksamkeit des Impfstoffes nachgewiesen. Unter den ersten Geimpften waren Bernadette Kralik, leitende Pflegerin eines Altersheims in Maria Enzersdorf, und Bernhard Rössler, Leiter der Covid-Intensivstation am AKH. Kralik sprach von einer schweren Zeit für die in ihrem Heim wohnenden Senioren durch die Pandemie. Sie habe sich geschworen, sobald es einen Impfstoff gibt, der für sie passe, "eine der ersten zu sein, die sich impfen lässt". Rössler betonte: "Wenn die Impfung ein Schritt in die Richtung ist, das Leben zu normalisieren, leiste ich gerne einen Beitrag." Er tue "das für den Schutz meiner Familie, aber auch aus Verantwortung gegenüber der Gesellschaft".

In den meisten anderen Bundesländern fanden im Tagesverlauf ebenfalls symbolische Starts der größten Impfkampagne in der Geschichte Österreichs statt. Rund zehn Monate nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa begannen zeitgleich am ersten Sonntag nach Weihnachten 2020 die Impfungen auch in Italien, Frankreich und zahlreichen weiteren EU-Staaten, in einigen anderen war schon am Samstag damit angefangen worden.

Freude, Impfappell und Hick-Hack

Hick-Hack und Kritik seitens ÖVP und FPÖ, Freude und Impfappell seitens Neos bzw. SPÖ waren am Sonntag die innenpolitischen Beiträge zum Corona-Impfstart in Österreich. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, von Beruf Epidemiologin, appellierte via Twitter für die Teilnahme an der Immunisierung. NEOS drängten auf einen klaren Impfplan.

"Beim Impfen geht's ums große Ganze. Jeder, der sich gegen #Covid impfen lässt, hilft mit, die Pandemie zu stoppen. Wer sich selbst schützt, schützt auch andere. Jetzt braucht es Gemeinsinn und Überzeugungskraft, Zuhören und Aufklärung", betonte Rendi-Wagner im Kurznachrichtendienst.

Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker freute sich - in einer Stellungnahme gegenüber der APA - "sehr, dass am Sonntag die ersten Menschen in Österreich die Corona-Impfung erhalten haben". Damit sei ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Pandemie gesetzt. Aber jetzt müsse mit einem nachvollziehbaren Impfplan rasch sichergestellt werden, dass auch die breite Masse bis zum Sommer Zugang zur Immunisierung bekommt.

Für FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl war die Verabreichung der ersten Covid-19-Impfungen hingegen ein "neuer Tiefpunkt". Denn Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe "eine Propaganda-Show in Ostblockmanier abgezogen". Zudem seien "hochbetagte Risikopatienten als Statisten für seinen Auftritt als Impf-Propagandist missbraucht" worden. Zudem unterstrich Kickl die Impf-Skepsis der FPÖ: Die Regierung jage "die Österreicher in ein ungewisses Impf-Abenteuer".

Seine Kritik an Kritikern bekräftigte am Sonntag ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior. Nicht nur dem FPÖ-Klubobmann Kickl, sondern auch dem burgenländischen SPÖ-Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil hielt er in einer Aussendung vor, "zu jener Sorte von Politikern" zu gehören, "die es vorziehen, die Menschen zu verunsichern und die Bevölkerung zu spalten". Doskozil hatte sich vor Weihnachten skeptisch gegenüber der schnellen Zulassung des Impfstoffs gezeigt und die Teilnahme an den sonntäglichen "Show-Impfungen" der Bundesregierung abgelehnt. Im Burgenland wurde am Sonntag in einem Pflegeheim ein symbolischer Impfauftakt gesetzt.

(APA)

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