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„El Cid“ – der Ritter als Serienheld

TV-Star Elia Galera als Königin Sancha, zerrissen zwischen Treue zu und Verrat am König.
TV-Star Elia Galera als Königin Sancha, zerrissen zwischen Treue zu und Verrat am König.(c) Amazon Studios
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Die spanische Historienserie rund um den Helden der Reconquista zeigt seine Jugend als Knappe am Königshof – inmitten von Intrigen à la „Game of Thrones“.

Ein Schwert ist reliquiengleich in der Kathedrale von Burgos zu sehen, der Hauptstadt der spanischen autonomen Region Kastilien und Léon. Es ist das angebliche Schwert des im 11. Jahrhundert lebenden Rodrigo Díaz, bekannt als „El Cid“, seit Jahrhunderten verehrt: als Held der Reconquista, als spanischer Richard Löwenherz, als Nationalheld.

Nicht Díaz, aber der vorbildliche christliche Ritter war eine literarische Erfindung. Es begann mit einem Epos, verfasst gut ein Jahrhundert nach El Cids Tod – in dem wohlweislich verschwiegen wurde, dass der Held auch einem maurischen Fürsten diente und sich mit seinen Söldnern nach Raubrittermanier bereicherte. Der Mythos blühte weiter in der spanischen Literatur, strahlte nach Frankreich aus, wo Corneilles Drama „Le Cid“ und Opern von Massenet und Debussy dazu entstanden. Eine wissenschaftlich maßgebliche, zugleich verklärende Monografie von 1929 besiegelte das Bild des Nationalhelden; deren Autor beriet dann auch die Macher des berühmten „El Cid“-Films mit Charlton Heston und Sophia Loren. Der Film bezieht Legenden ein – etwa zum Schluss, als seine Mannen den toten El Cid aufs Pferd setzen und in den Kampf gegen die Berber führen. Der lebende kämpft für die bedrohten Christen, versucht aber zugleich die Spirale der christlich-muslimischen Gewalt zu stoppen und erntet den Respekt der Mauren.

Der Held, bevor er einer war

El Cid als Verteidiger der Christenheit und zugleich christlich-muslimischer Versöhner, da ist doch für alle was dabei . . . Dachten so die Macher der neuen spanischen Serie „El Cid“, die seit der Weihnachtszeit auf Amazon Prime Video zu sehen ist? Noch bleibt im Dunkeln, wie sie von den christlich-maurischen Konflikten im spanischen Mittelalter erzählen werden – falls sie es in Fortsetzungen noch tun. In diesen fünf einstündigen Folgen jedenfalls erzählen sie nicht vom Reconquista-Helden, sondern vom Knappen am Hof des in Spanien damals führenden christlichen Königreichs, Kastilien-Léon – in dessen höfischen Intrigen er sich als aufrecht und tapfer erweist.

Da passiert viel Verwirrendes, aber auf eine Konstante ist Verlass, die ewig gleiche Miene des Hauptdarstellers Jaime Lorente, bekannt aus der spanischen Serie „Haus des Geldes“ (als Denver). Vor allem einmal schaut Ruy, wie er von seinen Freunden genannt wird, finster drein – was man ihm nicht übel nehmen kann, immerhin wird er nicht sonderlich pfleglich behandelt und muss allerlei moralische Hässlichkeiten mitansehen. Aber er gibt der Serie etwas Dumpfes, Schwerfälliges, wirkt zuweilen schon wie seine eigene Statue. Aber es scheint ohnehin, als ob sich die Macher gar nicht so sehr für ihn interessieren würden.

Die Intrigen à la „Game of Thrones“ – eng an der Historie angelehnt – sind der eigentliche, vor allem in Dialogen ausbuchstabierte Plot: Der Mordplan einer Gruppe, darunter Ruys Großvater, gegen den König – der Ruy in einen schließlich geschickt gelösten Loyalitätskonflikt bringt; der Streit des Königs mit seinem über Navarra herrschenden Bruder; die Konkurrenz zwischen dem ältesten Königssohn Sancho, dessen Gefolgsmann Ruy ist, und dessen jüngerem Bruder.

Zwei Frauen sind das Interessanteste

Die bei Weitem interessantesten Figuren, die diese Historienserie lebendig machen, sind zwei Frauen. Da ist zum einen die geschmeidig mit allen spielende, schöne Prinzessin Urraca, bei der alles passt, außer der ihr aufgesetzte anachronistische feministische Hut. Der spanische Fernsehstar Elia Galera wiederum beeindruckt als edle Königin Sancha, Ehefrau Fernando I., die hin und her gerissen ist zwischen der Liebe und Loyalität zu ihrem Mann und einem Verrat, der ihr politisch unumgänglich erscheint.

Dazu kommt das Pflichtsoll an Kampfszenen – es gibt Schlimmeres auf dem Feld historischer Intrigen- und Actionserien. Ob die Serie wohl fortgeführt wird? Darauf angelegt scheint sie zu sein: Ihre Handlung allein würde das dichte Figurennetz und Namedropping nicht rechtfertigen. Auch nicht, dass Sanchos Bruder, der hier unterlegene jüngere Königssohn Alfonso, so schillernd gezeichnet ist. Vielleicht erfährt man also noch, wie Regisseur José Velasco den Konflikt zwischen Christen und Muslimen zeichnet. Das Bisherige an Spannung zu überbieten dürfte nicht allzu schwerfallen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2020)

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