Corona-Maßnahmen

Ex-Richter: "Freitesten" verfassungsrechtlich bedenklich

Hinweismarkierungen bei der Teststation Austria Center
Hinweismarkierungen bei der Teststation Austria Center APA/HANS PUNZ
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Für die Besserstellung Getesteter müsste der Antigen-Test eine dem Lockdown vergleichbare Wirkung haben. Tatsächlich sei er aber nur eine Momentaufnahme der Viruslast, sagt der frühere Verfassungsrichter Rudolf Müller.

Das von der türkis-grünen Bundesregierung geplante „Freitesten" könnte verfassungswidrig sein, warnt der frühere Verfassungsrichter Rudolf Müller. Für die Besserstellung Getesteter müsste der Antigen-Test eine dem Lockdown vergleichbare Wirkung haben. Tatsächlich aber er bietet nur eine Momentaufnahme der Viruslast. Daher sei er ungeeignet, die Bewegungsfreiheit für eine ganze Woche sachlich zu rechtfertigen. Durchaus verfassungskonform könnte laut Müller unter bestimmten Voraussetzungen aber eine Impfpflicht sein.

Der Hintergrund: Vom 15. bis 17. Jänner sollen erneut Massentests angeboten werden - wer daran teilnimmt und ein negatives Ergebnis erhält, soll schon ab 18. Jänner in die dann wieder geöffneten Geschäfte und Lokale gehen dürfen. Alle anderen müssen noch bis 24. Jänner die Lockdown-Regeln einhalten. Das hat die Regierung vor Weihnachten, bei der Verkündung des derzeit geltenden dritten Lockdowns, in Aussicht gestellt. Die gesetzliche Regelung dazu wird allerdings erst nächste Woche vorgelegt.

Sollte sie tatsächlich ein „Freitesten" mit der Antigen-Methode vorsehen, wäre eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof laut Müller recht aussichtsreich - würde allerdings an der Sache nichts ändern, weil der VfGH schon vom Fristenlauf her erst nach der „Freitest-Woche" entscheiden könnte.

Müller verwies darauf, dass auf den Test-Attesten, die man bei einem negativen Ergebnis in Wien bekommt, ausdrücklich steht, dass sie nur 24 Stunden gelten. Somit könne man nicht argumentieren, dass eine Unterscheidung zwischen solcherart Getesteten und Ungetesteten z.B. beim Zutritt zu Restaurants für eine ganze Woche eine geeignete Methode ist, um Infektionszahlen niedrig zu halten. Denn ein „Negativ" im Antigentest sage nur aus, dass die Viruslast im Moment der Testung so gering ist, dass eine Ansteckung anderer Personen nicht zu erwarten ist. Schon 24 Stunden später könnte sie so angewachsen sein, dass der Getestete die Krankheit weiter verbreitet.

Eine - von der Regierung allerdings wiederholt ausgeschlossene - gesetzliche Impfpflicht könnte laut Müller allerdings durchaus verfassungskonform sein. Einige Voraussetzungen müssten gegeben sein: Es müsse wissenschaftlich erwiesen sein, dass man die Corona-Pandemie anders nicht in Griff bekommen kann. Und es dürfte kein gelinderes Mittel geben, um diese lebensbedrohende Krankheit aus der Welt zu schaffen.

Das ist wohl der Fall, denn der Aufbau einer Massenimmunität würde lange dauern - und somit viele Leben kosten - und ein Medikament zur Behandlung der Viruserkrankung ist nicht in Aussicht. Damit könnte durchaus ein invasiver Eingriff wie eine Impfung, die nicht gesundheitsbedrohend ist, verpflichtend vorgeschrieben werden. Dabei würde aber, merkte Müller an, eine Koordination auf europäischer Ebene eine zentrale Rolle spielen: Eine isoliert nur in Österreich geltende Impfpflicht wäre bei Aufrechterhaltung offener Grenzen kaum geeignet, die Verbreitung des Virus wirksam einzudämmen und daher wohl auch als Grundrechtseingriff nicht zu rechtfertigen.

Schwieriger wäre es, gesetzlich Erleichterungen für geimpfte Menschen zu gewähren. Das würde jedenfalls voraussetzen, dass sie nachweislich den Virus auch nicht weitergeben. Und da müsste man überdies differenziert vorgehen, weil sich diese Frage bei geimpften Kunden oder geimpften Händlern und deren Mitarbeitern verschieden stelle. Von einem späteren allfälligen Lockdown müsste man vollständig immunisierte (also auch nicht ansteckende) Menschen aber jedenfalls so weit ausnehmen, als ihre Tätigkeit keine Clusterbildung durch Dritte verursachen kann. Denn insoweit wäre eine Einschränkung der Erwerbs- und Bewegungsfreiheit sachlich wohl nicht mehr begründbar, stellte Müller fest.

Willi: Nach zweiter Massentest-Runde muss Schluss sein

Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) forderte unterdessen die Regierung auf, nach der zweiten Massentest-Runde vom 15. bis 17. Jänner Schluss zu machen. Danach gelte es, sich auf die Überzeugungsarbeit für die Impfung und die darauffolgende "Massen-Impfung" zu konzentrieren, meinte er am Mittwoch.

(APA/Red.)

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