Der Deal kann zu Jahreswechsel vorläufig in Kraft treten. Die britischen Abgeordneten stimmten mit großer Mehrheit für den Pakt. Auch die EU-Spitze hat bereits unterschrieben.
Das britische Unterhaus hat am Mittwoch für den Brexit-Handelspakt zwischen Großbritannien und der Europäischen Union gestimmt. Die Abgeordneten der ersten Kammer, des House of Commons, votierten mit überwältigender Mehrheit für das entsprechende Ratifizierungsgesetz von Premierminister Boris Johnson. In Kraft treten sollte das Gesetz aber vermutlich erst nach Mitternacht, wenn auch das Oberhaus dafür gestimmt und Queen Elizabeth II. ihre formelle Zustimmung gegeben hat.
Das Unterhaus entschied am Mittwoch mit 521 zu 73 Stimmen, die Vorlage anzunehmen. Es gilt als sicher, dass das Gesetz auch in der zweiten Kammer, dem House of Lords, eine Mehrheit finden wird. Das Abkommen soll zum Jahreswechsel zunächst provisorisch in Kraft treten, weil das EU-Parlament 2021 noch zustimmen muss. Das Europaparlament will den Text noch genau prüfen.
"Im Kern dieses Gesetzesentwurfs steckt eines der größten Freihandelsabkommen der Welt", sagte Johnson zum Auftakt der Debatte im Unterhaus in London. Es werde Unternehmen ermöglichen, den Handel mit der EU noch zu intensivieren, so der Regierungschef. Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour Party bezeichnete das Abkommen hingegen als "dünn" und "mit vielen Makeln behaftet". Es sei jedoch besser als ein „No Deal", der Preissteigerungen zur Folge hätte und Unternehmen an den Rand der Existenz bringen könnte - deshalb wollte seine Partei für den Gesetzentwurf stimmen.
Pakt von EU-Spitze schon unterschrieben
Die EU-Spitze hat den Brexit-Handelspakt mit Großbritannien bereits unterzeichnet. Die Zeremonie mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel wurde am Mittwochmorgen im Internet übertragen. Damit ist aus Brüsseler Sicht die letzte Hürde vor der Anwendung des Vertrags ab 1. Jänner genommen.
Ratschef Michel würdigte das Abkommen als fair und ausgewogen. Es wahre die Interessen der Europäischen Union und schaffe für Bürger und Unternehmen Stabilität und Verlässlichkeit, erklärte Michel. Auch künftig werde die EU bei wichtigen Themen Seite an Seite mit dem Vereinigten Königreich stehen, etwa beim Klimaschutz oder im globalen Kampf gegen Pandemien.
Großbritannien und die EU hatten sich erst am Heiligen Abend auf den Vertrag geeinigt. Das mühsam ausgehandelte rund 1250 Seiten lange Handels- und Partnerschaftsabkommen soll die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Insel und dem Kontinent von Jänner 2021 an regeln. Wichtigster Punkt ist, Zölle zu vermeiden und möglichst reibungslosen Handel zu sichern. Der Vertrag umfasst aber auch den Fischfang sowie die Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei und vielen anderen Themen. Er kann allerdings vorerst nur vorläufig angewendet werden, weil für eine Ratifizierung durch das Europaparlament vor dem Jahresende die Zeit fehlte. Anvisiert wird eine Abstimmung im Februar oder März.
Kritik aus Schottland und Wales
Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hat das Parlament zur grundsätzlichen Ablehnung des Brexit-Handelspakts aufgefordert. Die Abgeordneten sollten gegen den "faulen Brexit, den Schottland die ganze Zeit abgelehnt hat" stimmen, sagte Sturgeon am Mittwoch in Edinburgh. Der Brexit-Handelspakt biete keine Vorteile, nur massive Nachteile.
Das schottische Parlament beschäftigte sich zeitgleich mit dem britischen Unterhaus in London-Westminster mit dem Ratifizierungsgesetz. "Das Gesetz wird angenommen, egal, wie die schottischen Abgeordneten stimmen, weil das Establishment in Westminster es so entschieden hat", sagte Sturgeon. Schottlands Stimme sei zu jedem Zeitpunkt ignoriert worden. Das Votum in Edinburgh hat keinen Einfluss auf die Annahme des Gesetzes, dies entscheidet allein das britische Parlament.
Die Menschen in Schottland hatten beim Brexit-Referendum 2016 für den Verbleib in der EU gestimmt. Landesweit fand sich aber eine knappe Mehrheit für den Austritt. Sturgeon strebt die Unabhängigkeit von Großbritannien an, in Umfragen befürwortet eine Mehrheit die Loslösung - der Brexit ist dafür ein Hauptgrund.
Der walisische Regierungschef Mark Drakeford nannte den Vertrag "enttäuschend": "Für unsere Bürger bedeutet er längere Schlangen an Flughäfen, Visa für längere Reisen, teurere Mobilfunkkosten. Weniger Menschen aus der EU, die in unserem Gesundheits- und Sozialhilfewesen arbeiten und sich um Leute in Not kümmern", sagte Drakeford. Wie zuvor bereits seine schottische Kollegin Sturgeon warf er der Regierung von Boris Johnson "Kulturvandalismus" vor, weil sie aus dem EU-Studentenaustauschprogramm Erasmus aussteigt.
(APA/dpa)