EU-Außengrenze

Evakuierung von bosnischem Flüchtlingslager Lipa abgebrochen

Busse sollten die Flüchtlinge und Migranten aus Lipa in eine Kaserne bringen.
Busse sollten die Flüchtlinge und Migranten aus Lipa in eine Kaserne bringen.REUTERS
  • Drucken
  • Kommentieren

Das Lager in Lipa ist weder ans Strom- noch ans Wassernetz angebunden. Der Transport der 700 Menschen wurde nach Widerstand aus Politik und Bevölkerung abgebrochen. Österreich unterstützt Bosnien mit einer Million Euro.

Die Evakuierung Hunderter Menschen aus dem eigentlich bereits geschlossenen Flüchtlingscamp Lipa in Bosnien-Herzegowina ist abgebrochen worden. Die laut IOM rund 900 verbliebenen Geflüchteten hätten am Dienstag mit Bussen in eine ehemalige Kaserne in Bradina, 45 Kilometer südwestlich von Sarajevo, gebracht werden sollen. Laut Medienberichten vom Mittwoch wurde der Transfer jedoch auf politischer Ebene blockiert.

Die Menschen mussten demnach in den bereitgestellten Bussen übernachten. Wie das regionale Internetportal TV "N1" berichtete, blockierten Einheimische aus Bradina die Kaserne. Auch lokale Politiker hätten sich gegen die Entscheidung, die Migranten in der Einrichtung der Armee unterzubringen, gestellt. Dies entspreche nicht der üblichen Vorgehensweise und sei in keiner Art und Weise mit den lokalen Behörden abgesprochen worden, wurde aus einem Statement der Regierung des Kantons Herzegowina-Neretva, in dem Bradina liegt, zitiert.

Man erwarte eine Lösung im Laufe des Tages, berichtete die serbische Agentur Tanjug unter Berufung auf das Innenministerium. Polizei und Ministerium stünden jedenfalls für Hilfe bei der Evakuierung bereit.

Das Camp Lipa liegt in einem unwirtlichen Gelände 25 Kilometer südöstlich von Bihac und wurde im September errichtet, nachdem das Flüchtlingslager Bira am Stadtrand der nächstgrößeren Stadt Bihac aufgrund des Widerstandes der Bevölkerung geschlossen wurde. Vergangene Woche musste die Internationale Organisation für Migration (IOM) das Camp in Lipa jedoch schließen, da es trotz Versprechungen der Regierung nie an das zentrale Wasser- und Stromnetz angeschlossen wurde und somit nicht wintertauglich war. Viele der bis dahin rund 1.300 Camp-Bewohner machten sich daraufhin auf in Richtung Serbien, rund 900 harrten bei winterlichen Verhältnissen und notdürftiger Versorgung durch Hilfsorganisationen in Lipa aus.

Österreich stellt Hilfe zur Verfügung

Österreich will eine Million Euro für die Betreuung der Geflüchteten in Bosnien-Herzegowina zur Verfügung stellen, teilte das Außenministerium am Mittwoch mit. Die Hilfe soll vor allem für die Betreuung von "Frauen, Kindern und unbegleiteten Minderjährigen" aufgewendet werden. Der Beitrag soll "in den nächsten Tagen zur Verfügung stehen", hieß es.

Der österreichische Beitrag kommt über die Austrian Development Agency (ADA) der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zugute, teilte das Ministerium weiter mit. "Die Situation hat sich in den letzten Wochen extrem zugespitzt. Auch aufgrund der winterlichen Verhältnisse wollen wir hier schnell unseren Beitrag zur Verbesserung der Lebensumstände leisten", zitierte die Mitteilung Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP).

Caritas: „Flüchtlingsdrama vor der Haustüre"

Die Caritas sprach angesichts der Situation in Bosnien von einem "Flüchtlingsdrama vor der Haustüre" und startete Notverteilungen von Bekleidung, Winterschuhen und Schlafsäcken. Über eine spontane Spendenaktion auf Facebook wurden bereits über 100.000 Euro für die Caritas Nothilfe am Balkan gespendet, teilte die Caritas Österreich in einer Aussendung mit. Weitere Spenden würden dringend benötigt.

"Unser Land ist mit der Situation überfordert. Aber was es jetzt akut braucht, ist Soforthilfe für Menschen, die zu wenig haben, um unbeschadet durch die nächsten Tage und über den Winter zu kommen", sagte der Caritas-Direktor von Banja Luka, Miljenko Aničić. Etwa 3.000 Geflüchtete im nordwestlich gelegenen Kanton Una-Sana hätten kein Dach über den Kopf, lebten in Wäldern und müssten selbst bei Schnee im Freien übernachten, das sei "beschämend". "Vor 25 Jahren nahm ganz Europa Kriegsflüchtlinge aus dem zerfallenden Jugoslawien auf. Umgekehrt schafft man es bei uns nicht, einigen hunderten Geflüchteten eine Unterkunft zu bieten", kritisierte Aničić.

Hilfsorganisationen schlagen Alarm

Andreas Knapp, Auslandshilfe-Generalsekretär der Caritas Österreich, zeigte sich besorgt: "Wir erleben alles andere als eine Sternstunde der Europäischen Union. Kleine Kinder, die auf Samos von Ratten gebissen werden. Familien, die auf Lesbos im Dreck leben müssen. Menschen, denen in den Wäldern Bosniens der Kältetod droht. Die Situation ist dramatisch und die internationale Staatengemeinschaft sowie die EU sind hier gefordert, denn es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass hier Menschen unversorgt bleiben." Rasche Hilfe sei erforderlich, sonst würden Menschen erfrieren.

Ähnlich hatte sich Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, zuvor gegenüber der Austria Presse Agentur geäußert. "Es ist ein Trauerspiel, zu sehen, wie man mit den Menschen umgeht", sagte er zur Situation in Bosnien. Er forderte - auch mit Blick auf die Lage auf den griechischen Inseln - eine gesamteuropäische, nachhaltige Lösung, um dem "unwürdigen Schauspiel" in ganz Europa ein Ende zu setzen.

In Bosnien-Herzegowina befinden sich derzeit rund 16.000 registrierte Migranten, nur ein Bruchteil von ihnen will aber im Land bleiben und stellt dort einen Antrag auf Asyl, die allermeisten wollten weiter Richtung EU. Während sich auf den griechischen Inseln viele Flüchtlingsfamilien mit Kindern aufhalten, handelt es sich bei den Schutzsuchenden in Bosnien zum überwiegenden Teil um alleinstehende Männer. Knapp 30 Prozent stammen aus Afghanistan, rund 23 Prozent aus Pakistan, 19 Prozent aus Bangladesch und neun Prozent aus Marokko. Die Anerkennungsrate für Asylanträge aus diesen Ländern - Afghanistan ausgenommen - ist in Österreich relativ gering.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.