Israel ist auf bestem Weg, die eigene Vorgabe vorzeitig zu erfüllen. Im Bild der start der Impfkampagne Ende Dezember in Tel Aviv.
Vergleich

Wo schnell und wo langsam geimpft wird

Österreich hinkt nach, doch das EU-Schlusslicht sind die Niederlande, die ihren Spätstart nun vorziehen. Großbritannien hat mit der Zulassung von AstraZeneca eine zweite Option. An der Impfaktion gibt es fast überall Kritik – mit Ausnahme der Impfweltmeister in Israel.

In ganz Europa regt sich Unmut darüber, wie langsam die Impfprogramme im Vergleich zu Israel, den USA oder Großbritannien anlaufen. Österreich gehört zu den Nachzüglern. In einer ersten Tranche lieferte Biontech/Pfizer zunächst lediglich 10.000 Dosen des bisher einzigen in der EU zugelassenen Vakzins. Von nun an sollen 60.000 Einheiten wöchentlich eintrudeln. Die ersten Injektionen sind für Alten- und Pflegeheime, für Hochrisikopatienten sowie für besonders exponiertes Gesundheitspersonal bestimmt.

Die EU-Kommission hat die Impfstoffe für alle Mitgliedstaaten beschafft und Vorverträge mit sechs Herstellern für insgesamt rund zwei Milliarden Dosen abgeschlossen, die aliquot verteilt werden soll. Österreich erhält im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl rund zwei Prozent. Zuletzt manifestierte sich Kritik, dass Brüssel eine falsche Auswahl traf und zu wenig Impfstoff bei Biontech/Pfizer orderte, nämlich 300 Millionen Dosen. Die Kommission will nun nachverhandeln, wie ein Sprecher am Montag bekannt gab. Das Produkt von Biontech/Pfizer muss wie die meisten Präparate zweimal verabreicht werden, um eine Schutzwirkung zu erzielen.



Für den französischen Anbieter Sanofi, bei dem die EU 300 Millionen geordert hat, heißt es zurück an den Start: Der Impfstoff fiel bei dem Test durch. Am 6. Jänner wird die Europäische Arzneimittelagentur EMA dem Produkt des US-Pharmakonzerns Moderna grünes Licht geben. Auch das britisch-schwedische Vektor-Vakzin von AstraZeneca steht knapp vor der Zulassung. Es muss nicht bei minus 70 Grad gelagert werden. Dann könnte es schneller gehen. Folgend ein Überblick über das Impftempo in ausgewählten Ländern.

Deutschland

Jens Spahn drückt nun aufs Pedal. Der Gesundheitsminister reagierte auf die Kritik, wonach die Impfrate in Deutschland vergleichsweise gering sei. Bisher hat das Land (Stand Sonntag) rund 240.000 Impfungen durchgeführt, womit es europaweit im Vorderfeld liegt. Unter anderem hatte sich Biontech-Chef Uğur Şahin irritiert gezeigt über die zaghafte Bestellung des Impfstoffs durch die EU.

Der Virologe Christian Drosten hofft zunächst auf eine schnelle Zulassung des Vakzins der Firma Moderna. Spahn überlegt eine Erhöhung der Impfrate durch eine Vergrößerung des Abstands zwischen erster und zweiter Teilimpfung von drei auf sechs Wochen. Dadurch würde Berlin Zeit gewinnen, bis die Fertigstellung einer weiteren Biontech-Produktionsstätte im hessischen Marburg eine Verdoppelung der Kapazitäten verspricht. Deutschland sicherte sich über die 55 Millionen Biontech-Impfdosen über den EU-Schlüssel hinaus eine zusätzliche Option von 30 Millionen Rationen. Zudem könnte wegen der Überfüllung der Ampullen um ein Fünftel mehr Impfdosen verabreicht werden.

Großbritannien

Der 82-jährige Dialysepatient Brian Pinker war der Erste, der am Montag eine Injektion des in Großbritannien neu zugelassenen Impfstoffs von AstraZeneca erhielt, den die Pharmafirma mit der Universität Oxford entwickelt hatte. Gesundheitsminister Brian Hancock feierte dies prompt als „Triumph der britischen Wissenschaft“. Großbritannien steht unter noch größerem Druck als der Rest Europas, weil die Mutation des Coronavirus die Infektionsrate rasant erhöht hat: Es verzeichnet die höchste Infektions- und Todesrate in Europa. Durch einen Schnellstart vor vier Wochen trägt rund eine Million Briten eine Teilimmunisierung. In London erwägt die Regierung, die 100 Millionen Dosen des AstraZeneca-Impfstoffs erworben hat, gar einen Zeitraum von drei Monaten zwischen erster und zweiter Impfung.

Frankreich

Die von französischen Medien kolportierte Zahl von lediglich 516 Impfungen bis zum Wochenende soll der Regierung Beine machen. „Das muss sich schnell ändern“, forderte Präsident Emmanuel Macron, der sich über die Bürokratie und den Vergleich mit Großbritannien und Deutschland frustriert zeigte. Insbesondere das vor der Impfung obligate Arztgespräch erregt Kritik. In der ersten Woche hat sich Frankreich auf die Impfung des Pflegepersonals von über 50 Jahren konzentriert, jetzt sollen Pflegeheime an die Reihe kommen. Das langsame Tempo könnte die Erholung der Wirtschaft verschleppen, fürchten Ökonomen.

Italien

Mit der 107-jährigen Fiorina Fiorello hat Italien ein Gesicht für die zäh angelaufene Impfkampagne. Vor allem die Lombardei, die am schwersten von der Epidemie betroffene Region, ging es langsam an. Zuerst hatten die Krankenhäuser den 4. Jänner als Starttermin ausgegeben, dann fehlte es über die Feiertage am – stark strapazierten – medizinischen Personal und auch an Spritzen. Drei Viertel der bis Ende Jänner zugeteilten 470.000 Impfdosen lagert noch in den Kühldepots.

Impfstart in einem Krankenhaus in Rom am 28. Dezember.
Impfstart in einem Krankenhaus in Rom am 28. Dezember.imago images/ZUMA Wire

Niederlande

Die Niederlande waren bis Montag das einzige EU-Land, in dem die Impfung noch nicht ausgerollt wurde. Dies setzte die Holländer dem Gespött aus. Schlecht vorbereitet, lautet der Tenor. Nach massiver Kritik zog die Regierung den für 18. Jänner geplanten regulären Start nun doch vor. Zuerst sollen die 30.000 Mitarbeiter in den überlasteten Spitälern geimpft werden.

Israel

Israel ist auf bestem Weg, die eigene Vorgabe von zwei Millionen Impfungen bis Monatsende vorzeitig zu erfüllen. Rund 150.000 Israelis bekamen täglich die Impfdosis. Generalstabsmäßig und zentral gesteuert startete die Impfung vor zwei Wochen. Das Land hatte sich schon im Sommer – angeblich zu einem höheren Preis – mit einer großen Menge an Impfstoff eingedeckt und sich als Testlabor angeboten. Premier Netanjahu Benjamin ließ sich als Erster impfen und jubelt im anlaufenden Wahlkampf: „Wir laufen der gesamten Welt davon.“

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