Ehrung

Wissenschaftlerin des Jahres: Sie kann Corona genauso gut erklären wie Herpes

Leiterin des Zentrums für Virologie der Medizinischen Universität Wien: Elisabeth Puchhammer-Stöckl.
Leiterin des Zentrums für Virologie der Medizinischen Universität Wien: Elisabeth Puchhammer-Stöckl. APA/ROBERT JAEGER
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Die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl wurde von Fachjournalisten  vor allem für ihre Erläuterungen geehrt. Die nächsten Monate werden „sehr schwierig“, glaubt sie.

Einen Popstar der Pandemie – wie ihren deutschen Kollegen Christian Drosten – hat man Elisabeth Puchhammer-Stöckl bisher noch nicht genannt, aber ihre sachlichen Auskünfte zum Thema Viren haben in den letzten zehn Monaten vielen Medienkonsumenten das Verständnis der Pandemie erleichtert. Und sie war und ist, wenn es ihr wichtig ist, auch für einen pointierten Einwurf zu haben. So wandte sie sich schon Anfang Mai mit klaren Worten gegen die damals grassierende Idee, die Bevölkerung könne und solle Herdenimmunität gegen Sars-CoV-2 erreichen; zuletzt kritisierte sie das von der Regierung geplante „Freitesten“: Ein mehrere Tage alter negativer Test habe in der derzeitigen Situation zu wenig Aussagekraft.

1962 in Wien als Tochter eines Biochemikers geboren, wollte Puchhammer eigentlich Ärztin werden: „Ich wollte heilen“, sagt sie. Doch nach ihrer Promotion in Medizin verschlug es sie in die Virologie, der sie bis heute treu ist. Seit 2018 leitet sie das Zentrum für Virologie.

Viren, die in uns bleiben

Sie forscht etwa über die natürlichen Killerzellen (NK), die Viren attackieren, noch bevor eine spezifische Immunantwort (siehe auch Artikel links) einsetzt, und die Wechselwirkung zwischen Virus und Wirt. Besonders über Viren, die es schaffen, nach der Infektion im Körper des befallenen Menschen dauerhaft zu bleiben, was das Immunsystem ziemlich belastet. Die Herpesviren, die die Fieberblasen bilden, sind solche persistierenden Viren – wer sie einmal hat, kriegt sie nicht mehr los. Sars-CoV-2 gehört zum Glück nicht dazu: Der Abwehrkampf des Immunsystems dagegen ist meist erfolgreich. Nur in Personen mit sehr schwachem Immunsystem, etwa durch Medikamente Immunsupprimierten, könne sich Sars-CoV-2 längere Zeit halten (und dabei Mutationen ansammeln), erklärte Puchhammer bei ihrer Präsentation als Wissenschaftlerin des Jahres. In solchen Personen seien wohl die Mutanten aus England und Südafrika entstanden, die uns derzeit so große Sorgen machen.

Auch andere Viren, die die Atemwege befallen, sind nicht persistierend. Damit wirken auch gegen sie die Kontaktbeschränkungen, die uns das fatale Coronavirus aufgezwungen hat: „Die Zahl respiratorischer Infekte ist dramatisch gesunken“, sagte Puchhammer auf „Presse“-Anfrage. Dass dennoch etliche an (harmlosem) Schnupfen leiden, liege wohl daran, dass Rhinoviren, die ihn auslösen können, oft durch Schmierinfektion übertragen werden.

Mit Sars-CoV-2 befasste sich Puchhammer schon früh: Im Jänner 2020 organisierte sie einen Workshop über „Emerging Viruses“: Im Fall Corona erschwert wird die Wissenschaftskommunikation durch den immensen Zeitdruck, der auf der Forschung lastet – und bewirkt hat, dass Arbeiten publik werden, die noch gar nicht von Fachkollegen geprüft sind. Umso wichtiger ist die Beratung der Öffentlichkeit und Politik: Puchhammer war in der Ampel-Kommission, in der Corona-Taskforce des Gesundheitsministeriums sitzt sie noch. Mit der Akzeptanz ist sie recht zufrieden: „Wenn Politiker über CT-Werte bei PCR diskutieren, dann ist schon etwas geschehen.“ Der Impfskepsis sei am besten mit Visualisierungen zu begegnen, die illustrieren, was das wirkliche Virus – im Gegensatz zu einem aus ihm abstrahierten Impfstoff – in den Betroffenen anrichtet.

Die nächsten Monate werden „sehr schwierig“, glaubt sie; der sanftere Lockdown vor Weihnachten scheine derzeit noch nachzuwirken. Jedes Land kämpfe mit einem Auf und Ab, die Wirksamkeit von Maßnahmen könne man erst im Rückblick beurteilen. Covid habe wohl das öffentliche Bewusstsein für das Potenzial ansteckender Krankheiten dauerhaft verändert. Auch andere Corona- oder Influenzaviren könnten von Tieren auf Menschen wechseln. Der Klimawandel begünstige auch, dass Insekten einwandern und tropische Viren mitbringen. (tk/APA)

(APA)

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