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Von Don Quijote bis zum Kapitol: Die Facetten des Visiers

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US-TRUMP-SUPPORTERS-HOLD-'STOP-THE-STEAL'-RALLY-IN-DC-AMID-RATIFAPA/AFP/GETTY IMAGES/SPENCER PLA
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Wir müssen uns verhüllen, manche wollen sich aus Wut vermummen: der Gesichtsschutz als Schirm, zur Abwehr von Viren und als Panzer.

In einer schäbigen Raststation, die er für eine Festungsanlage hält, will sich Don Quijote zum Ritter schlagen lassen – vom Wirt, den er als Burgherr oder Vogt zu erkennen glaubt. Der „Dueño“ (Patron) sieht gleich, dass der Gast auf dem müden Klepper Rosinante etwas irre ist.
Beim Speisen „schlecht gekochten Stockfisches“ in der Schenke muss Don Quijote dann, behindert durch Helm und Visier, von einem Mädchen gefüttert werden, das er sich als Burgfräulein imaginiert. Es handelt sich aber um eine Prostituierte. Die Episode ist herzzerreißend – wie auch die Biografie des „Don Quijote“-Autors Miguel de Cervantes, der weit herumkam: Er war Theologe, Sklave, schwer kriegsversehrter Soldat und Franziskaner. Als Schriftsteller ein toller Sprachkünstler, von dessen Fabulierlust sich Peter Handke inspirieren ließ, blieb Cervantes, einer der spanischen Nationaldichter, lang verkannt.

Klassiker wie der über 1000 Seiten fassende Roman „Don Quijote“ müssen Trost spenden, wenn aufgrund von feiertäglichen Lieferverzögerungen der Internetversand auslässt und die Buchläden wegen Corona gesperrt bleiben. Visiere sieht man freilich jetzt oft. Bei der Nationalgarde, die anrückte, um das Kapitol in Washington vor militanten Anhängern des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump zu schützen.

Aber auch in der U-Bahn und auf der Straße, wo Passagiere und Passanten, oft junge, mit bunten Masken um den originellsten Modebeitrag zur Coronakrise wetteifern. Die Plastikvisiere sind in die Kritik geraten, weil sie nach Expertenmeinung kaum Schutz gegen Viren bieten. Wir erleben also eine Renaissance des Gesichtsschutzes und des Visiers auf verschiedenen Ebenen. Der Mensch muss oder will sich verhüllen, ja panzern. Letzteres geht zurück auf das Mittelalter, in dem das Visier ein beweglicher Teil der Ritterrüstung war, so wie die Lanze oder das Schwert. Eine Art von Lanzen war auch bei den Tumulten ums US-Kapitol zu sehen: Gewalttätige Demonstranten versuchten, mit Fahnenstangen technisches Equipment der Medien zu zertrümmern. Polizei rückte in Kampfanzügen gegen die rabiate Menge vor.

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