Gegengift

Liebe Dudens: Schafft endlich den bösen Imperativ ab!

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Der Verlag Bibliographisches Institut ergänzt sein wichtigstes Online-Wörterbuch, weil mehr Gender-Sensibilität erwünscht ist.

In den geräumigen Werkhallen des Gegengiftes gibt es viele Schreibstuben – zum Beispiel für Rechtshänder und Linkshänderinnen oder auch für Verweigernde des kategorischen Konjunktivs. Bei uns arbeiten sogar fast vernachlässigbare Minderheiten. Eine hat „Gedenket des Genitivs, den dich die Grammatik der Sophisten gelehret hat!“ auf ihre Korrekturfahnen geschrieben. Von der Militanz der Splittergruppe „Befreit das Sanskrit von Schlegel und Bopp!“ wollen wir gar nicht erst reden.

Entsprechend aufgeweckt waren Kolleginnen und Kollegen gestimmt, als erste Meldungen bei uns eintröpfelten, dass die „Duden“-Redaktion gerade ihr Online-Wörterbuch großzügig ändert, vor allem, um stärker auf wachsende Gender-Sensibilität einzugehen. Circa 12.000 Personen- und Berufsbezeichnungen sollen zwei statt wie bisher einen Wort-Artikel erhalten, bestätigte der Fachverlag Bibliographisches Institut (BI) in Berlin.

Worum geht es? Um das „generische Maskulinum“.

Bisher gab es z. B. den Artikel „Leser“ – damit waren Männer wie Frauen und alle dazwischen gemeint. Künftig kriegt zumindest die „Leserin“ ihren eigenen Artikel im „Duden“, so wie die „Mieterin“ und die „Schülerin“. Das geschlechtsneutral Männliche hat ausgedient.
Einige erfahrene Linguisten haben gegen diese diktionäre Online-Revolution heftig protestiert. Einer sieht darin unverantwortliches Ignorieren komplexer Sprachgeschichte. Einige befürworten die Reform ebenso engagiert. Für sie war solch eine Veränderung des Bewusstseins durch die Sprache längst an der Zeit. Beide Gruppen haben natürlich irgendwie recht. Sprachen sind kreative Prozesse, mit stets fließenden Formen. Man kann niemals in denselben Fluss steigen, sagte Heraklit. Umso wichtiger ist es, zu wissen, wo Sprache herkommt, oder zu spekulieren, wo sie hinstrebt.

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