Blattlinie

Gute Erinnerung, schöne Alterserscheinung

Vor 20 Jahren wurde das Washingtoner Abkommen zur späten Entschädigung für NS-Raub an jüdischen Österreichern geschlossen. Ariel Muzicant spielte den „bösen Buben", sagt er heute. Ich war journalistisch ein kleiner.

Eine der schöneren Alterserscheinungen ist, bestimmte Daten auch deswegen als historisch wahrzunehmen, weil man sich im Gegensatz zu den meisten anderen erinnern kann. Vor 21 Jahren setzte mich der damalige Chefredakteur Andreas Unterberger darauf an, Österreichs späte Aufarbeitung der NS-Zeit, die Verhandlungen zur Entschädigung mit Vertretern der einstigen Sklaven- und Zwangsarbeiter sowie für Restitution und Ausgleichszahlungen für NS-Raub von jüdischem Vermögen zwischen Österreich und den Organisationen, die die Opfer vertraten, zu recherchieren und zu covern.

Ich hatte nicht nur das seltene Glück, diesen Themen journalistisch quasi mit redaktionellem Sonderstatus nachgehen zu dürfen, sondern durfte Persönlichkeiten wie US-Staatssekretär Stuart Eizenstat, Österreichs Verhandlerin für die Zwangsarbeiterentschädigung Maria Schaumayer, den Verhandler für Restitution Ernst Sucharipa und beider US-Lotse sowie Stratege Martin Eichtinger kennenlernen. Auf die Seite der Opferanwälte fiel der skurrile Anwalt Ed Fagan, der den Zeitunterschied zwischen New York und Wien beim Anrufen stets vergaß.

Zu den wichtigsten Gesprächspartnern in diesen Fragen gehörten natürlich der Chef der Israelitischen Kultusgemeinde und seine Sprecherin und spätere Generalsekretärin Erika Jakubovits, die für ihre Gemeinde und die österreichisch-jüdischen Holocaustüberlebenden und Erben der Ermordeten verhandelten. In zahlreichen Interviews mit dieser Zeitung formulierten sie die Ohnmacht und das Unverständnis über das Verhalten Österreichs nach 1945.

Die Verhandlungen, in denen Vertreter des US-State Department und der Claims Conference ebenso am Tisch saßen wie Opferanwälte, die Klagen eingebracht hatten, waren zäh und drohten mehrmals zu scheitern. Am Schluss zog Muzicant zwar nicht voll mit, das Washingtoner Abkommen wurde aber dennoch geschlossen – und zu einem wichtigen Erfolg der Regierung Wolfgang Schüssels sowie spätes Zeichen der Aussöhnung. Nun jährt sich das Abkommen zum 20. Mal. Julia Wenzel und ich trafen Ariel Muzicant und Wolfgang Sobotka, als Nationalratspräsident Schirmherr des Nationalfonds, zu einem Interview darüber – und dazu, dass sich einiges zum Positiven verändert hat.

rainer.nowak@diepresse.com

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