Wort der Woche

Risikobereite Start-ups

Wir verdanken jungen Biotech-Firmen die beiden Impfstoffe, die derzeit zugelassen sind. Sie gingen ein hohes Risiko ein – das aber nicht größer ist als bei Start-ups anderer Branchen.

Biotech-Firmen standen noch nie so sehr im Rampenlicht: Beide derzeit in der EU zugelassenen Impfstoffe kommen von jungen Unternehmen, die jahrelang neue Technologien entwickelt haben, mit denen sie nun punkten können – und wohl hohe Gewinne einfahren werden. Die Börsenkurse der Firmen sind quasi explodiert: Der Wert einer Aktie von Biontech (gegründet 2008) wuchs binnen Jahresfrist um 102 Prozent, jener von Moderna (gegründet 2010) sogar um 473 Prozent.

Diese beiden Unternehmen sind damit Ausnahmen in ihrer Branche. Die allermeisten Biotech-Firmen sind nämlich gekennzeichnet durch eine Kombination von drei wirtschaftlichen Faktoren: hohe Forschungsausgaben, geringe Einnahmen und folglich große Verluste. Erst am Ende der langen Entwicklungszeit winken hohe Gewinne durch ein neues Medikament – falls dieses nicht vorher in irgendeiner Phase scheitert.

Diese Charakteristik gilt auch für die knapp 200 österreichischen Biotech-Start-ups. Die Gefahr, die damit einhergeht, zeigte sich etwa beim einstigen Wiener Biotech-Star Intercell: Lange Zeit höchst erfolgreich, musste die Firma 2013 beim ersten wirklichen Problem – ein revolutionäres Impfpflaster funktionierte nicht so gut wie erwartet – als eigenständiges Unternehmen aufgeben und ist heute Teil der französischen Valneva (die aktuell auch an einem Covid-19-Vakzin arbeitet).

Biotech-Firmen haben es im Vergleich etwa zu IT-Start-ups deutlich schwerer, Financiers zu finden. Denn Biotechnologie steht im Ruf, viel riskanter zu sein. Das stimmt aber so nicht, meint nun eine Forschergruppe um Fred Ledley (Bentley University). Die Forscher haben 319 Biotech-Firmen, die zwischen 1997 und 2016 an die US-Technologiebörse Nasdaq gegangen sind, mit ähnlichen Unternehmen aus anderen Branchen verglichen und fanden dabei keine grundlegenden Unterschiede: Am Ende der Untersuchungsperiode waren in allen Branchen gleichermaßen noch rund zwei Drittel der Unternehmen aktiv.

Die Wertsteigerung fiel zwar bei Biotech-Firmen niedriger aus als in anderen Branchen. Der Grund dafür ist aber nicht, dass die Biotech-Unternehmen weniger erfolgreich gewesen wären – sondern dass die besten Firmen noch vor der Marktreife ihrer Produkte von Pharma-Unternehmen übernommen wurden (Plos One, 6. 1.). Daher ist in der Statistik nicht sichtbar, dass der Biotech-Sektor genauso erfolgreich ist wie etwa die IT-Branche. ⫻


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2021)

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