Rücktritt

Causa Aschbacher: Slowakische Universität will Dissertation prüfen

++ ARCHIVBILD ++ ARBEITSMINISTERIN CHRISTINE ASCHBACHER (OeVP) TRITT ZURUeCK
++ ARCHIVBILD ++ ARBEITSMINISTERIN CHRISTINE ASCHBACHER (OeVP) TRITT ZURUeCKAPA/ROLAND SCHLAGER
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Nach dem Rücktritt der ÖVP-Ministerin wegen Plagiatsvorwürfen will nun die Slowakische Technische Universität die Doktorarbeit von Christine Aschbacher überprüfen.

Die Slowakische Technische Universität (Slovenská technická univerzita; STU) will die Dissertation der am Samstag zurückgetretenen österreichischen Arbeitsministerin, Christine Aschbacher, gründlich überprüfen. Das berichtete die liberale slowakische Tageszeitung "Dennik N" am Samstag auf ihrer Webseite. Mit ihrer Dissertation hatte die ÖVP-Politikerin im Vorjahr bei der STU im Studienprogramm Industrie-Management der Materialtechnischen Fakultät den PhD-Titel erlangt.

Die STU besteht aus sieben Fakultäten. Die materialtechnologische Fakultät hat ihren Sitz in Trnava, alle restlichen befinden sich in der Hauptstadt Bratislava.

Ortete Prüfungssystem ausländische Quellen nicht?

Seitens der STU heißt es demnach, dass die Arbeit mit dem staatlichen Antiplagiat-System überprüft wurde, das eine Übereinstimmung mit fremden Texten von 1,15 Prozent gefunden habe. "Eine derartige Übereinstimmung ist minimal, aus dieser Sicht handelt es sich also nicht um ein Plagiat. Das Antiplagiat-System vergleicht aber nur die Übereinstimmung mit Quellen, die sich in seiner Datenbank befinden. Fraglich ist dabei das Ausmaß der Vertretung ausländischer Quellen darin", sagte der Sprecher der STU, Juraj Rybansky, der Zeitung. In der Datenbank des staatlichen Systems befinden sich vor allem slowakische Texte aus Lehrbüchern und dem Internet, mit denen Arbeiten verglichen werden. Deutsche Texte liegen nur wenige vor.

Die STU gehört zu den besten slowakischen Hochschulen, öfter hat sie auch enthüllte Plagiatoren aus der slowakischen Politik kritisiert. Nachdem im Vorjahr auch der slowakische Parlamentspräsident Boris Kollar eines Plagiats überführt wurde, hat sich die STU einer öffentlichen Äußerung angeschlossen, laut der "ein akademischer Titel keine Dekoration" sei, dank der Politiker oder Geschäftsmänner ihren sozialen Statuts erhöhen können, sondern das Ergebnis ehrlicher Forschungsarbeit sein sollte.

Arbeit 2012 begonnen

Im Zusammenhang mit Aschbacher verspricht die STU "gründliche" Kontrolle. "Die STU schaut konsequent auf die Einhaltung hoher Qualitätsstandards von Abschlussarbeiten. Alle Feststellungen von Stefan Weber, die die Dissertationsarbeit von Christine Aschbacher betreffen, werden gründlich überprüft und über die Ergebnisse werden wir informieren," so Sprecher Rybansky.

Dem slowakischen Zentralen Register von Abschlussarbeiten zufolge hatte Aschbacher 2012 mit ihrer Arbeit begonnen. Eingereicht hat sie ihre Abschlussarbeit aber erst im Mai 2020, also acht Jahre später. Ein externes Doktorstudium dauert in der Regel nur fünf Jahre, kann aber dem Gesetz nach um zwei Jahre verlängert werden. Die Uni selbst sieht in der längeren Dauer kein Problem, da ihren Infos zufolge Aschbacher ihr Studium für zwei Jahre unterbrochen hatte, womit sie die maximale Länge nicht überschritten habe.

Keine Aberkennung von betrügerisch erlangten Titeln

Leiter der Arbeit von Aschbacher war Professor Jozef Sablik, der zwischen 1999 und 2006 auch Dekan der Materialtechnischen Fakultät der STU in Trnava war. Die Arbeit hatten als Opponenten auch Dagmar Babcanova und Felicita Chromjakova beurteilt. Ihre Reaktion ist bisher noch nicht bekannt.

In der Slowakei gelten ab Neujahr neue Regeln gegen Plagiate. Auf den aktuellen Skandal haben diese aber keinen Einfluss, da auch die novellierte Gesetzgebung Rektoren nicht ermöglicht, betrügerisch erlangte Titel rückwirkend abzuerkennen. Die neue Legislative bezieht sich nur auf Abschluss-Arbeiten, die nach dem 1. Jänner dieses Jahres eingereicht werden.

Die Gesetzesnovelle hatten im Vorjahr die slowakischen Koalitionsparteien - Gewöhnliche Menschen (Olano) von Premier Igor Matovic, Wir sind Familie von Parlamentspräsident Boris Kollar, die liberale SAS und Für die Menschen - angenommen. Damit haben sie faktisch ihre eigenen Politiker vor einer eventuellen Titel-Aberkennung geschützt. Im vergangenen Jahr sind nämlich auch der slowakische Ministerpräsident Matovic, Parlamentspräsident Kollar und Bildungsminister Bratislav Gröhling von der SAS eines Plagiats überführt worden.

(APA)

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