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Das verhängnisvolle Seepöckchen

T.Gaston/Dreamstime.com/gemeinfrei
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VP-Ministerin Aschbacher ist also unter anderem über Seepocken gestolpert. Wissen Sie eigentlich, was das ist? In der Schifffahrt mag man die Dinger nicht. Sie hatten auch schon katastrophale Folgen.

„Seepöckchen, Kalkröckchen,

wann kommst du geschwebt?

Du kommst aus den Wassern,

bis das Boot mir verklebt."

(Variation eines alten deutschen Weihnachtsliedes, beliebt in Bootsbesitzer- und Unternehmensberaterpartikulargesellschaften).

VP-Ministerin Aschbacher ist also unter anderem über Seepocken gestolpert. Wie heißt's doch in diesem lustigen Satz in ihrer - angeblich - tüchtig plagiatsbehafteten Dissertation zum Thema „Entwurf eines Führungsstils für innovative Unternehmen" an einer Universität in Bratislava:

„Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes; sie verlangsamen uns."

Nun ja, da lässt sich grundsätzlich schon einmal einwenden, dass in der Wissenschaft Annahmen erst die Basis von Theorien bilden, welche dann die Realität, einen Vorgang darin, einen Zusammenhang, ein Problem etc. erklären (oder nicht). Aber wenn im Text einer Bewohnerin eines Binnenlandes wie Österreich ganz lässig just Seepocken auftauchen, eine Lebensform, deren Existenz vermutlich dem Großteil der Bevölkerung unbekannt ist, darf man skeptisch werden: Denn diese primitiven Krebstierchen, deren Larven sich etwa an Steine, größere Krebse, Muscheln, Unterwasserbauwerke und Bootsrümpfe kleben und Kalk-Kegelchen um sich herum bauen, leben im Salzwasser – also im Meer, nicht in der Mur. In Süßwasser bilden etwa Algen, Moostierchen und Zebramuscheln einen solchen Bewuchs.

Michael Hanselmann/CC BY-SA 2.0

Dieser Bewuchs, der in Meerwasser weit häufiger ist, kann allerdings ein Problem werden, weil er Schiffe bremst (er erhöht den Wasserwiderstand) und deren Manövrierfähigkeit stört; Holzschiffe konnten dadurch sogar leck werden. Heute benützt man dagegen schützende Lacke und Beschichtungen, doch gehören Wasserfahrzeuge bei Bedarf auch im Dock bzw. an Land vom Belag gesäubert.

Als die russische Ostseeflotte im Mai 1905 im Krieg mit Japan nach achtmonatiger Anfahrt um Afrika herum Japan erreichte, waren ihre Schiffe (total etwa 30 Schlachtschiffe, Kreuzer und Zerstörer, dazu Versorger) durch dicke Krusten aus Wasserpflanzen, Muscheln und Seepocken stark behindert, die man unterwegs auch während der vielen Pausen, in denen man Kohle für die Schiffsantriebe bunkerte, nie hatte recht entfernen können.

In der Seeschlacht bei Tsushima gingen die Russen dann unter. (wg)

V. Emyshev (gemeinfrei)

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