"Heldenplatz": Erst zürnen, dann stürmen

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Bernhards Skandalstück "Heldenplatz" wurde 1988 im Burgtheater von Peymann uraufgeführt. Zum 100. Geburstag des Hauses und 50 Jahre nach dem NS-Einmarsch erhitzte es die Gemüter. 120 Vorstellungen wurden gegeben.

Sechseinhalb Millionen Debile und allein Gelassene seien die Österreicher, die Sozialisten die Totengräber des Staates, die Roten und die Schwarzen spielten den Nazis in die Hände: Sätze wie diese aus Thomas Bernhards „Heldenplatz“, 1988 im Burgtheater von Claus Peymann uraufgeführt – just zum 100.Geburtstag des Hauses am Ring und 50 Jahre nach dem NS-Einmarsch –, regten die Österreicher maßlos auf.

Aber auch Politiker (Kanzler Franz Vranitzky, Unterrichtsministerin Hilde Hawlicek, Erhard Busek, Helmut Zilk, Bruno Kreisky) reagierten indigniert bis sauer auf das Stück. Es gab Forderungen nach einem Verbot der Aufführung, Morddrohungen gegen den Dichter („In der Billrothstraße hat mir gestern einer nachgeschrien: Umbringen sollt' ma Ihnen!“, erzählte Bernhard), Tumulte nicht nur bei der Premiere. Wenige Monate später war Bernhard tot. Sein „Heldenplatz“ brachte es auf 120 Vorstellungen.

In einer Doku, die leider heute nicht mehr allgemein erhältlich ist, sammelte das Burgtheater alles zum „Heldenplatz“. Am heftigsten kochte die Volksseele. „Ich als Christ verfluche Sie“, schreibt da einer an den Dichter, „Sie sollen Aids bekommen.“ „Herr Claus Peymann, geh Sie etlich vom Burgtheater (sic!). Wir lieben alle das Burgtheater! Jeden Tag ist ein Krach!“, macht ein Anonymer seinem Ärger Luft. Und „sechs kräftige Männer aus Hacking“ drohen Peymann und Bernhard mit Prügel. Die Situation war beängstigend und bedrohlich für die Peymannschaft in der Burg.

„Stammtischton auf der Burgbühne“

Die „Krone“ wetterte besonders lautstark. Seriöse Kommentatoren warnten vor dumpfem „Stammtischton“ auf der Burg-Bühne. Über Jahrzehnte hatte Bernhard das Schüren öffentlicher Erregung perfektioniert, mit „Holzfällen“ oder bei der „Notlicht-Affäre“ um das Stück „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ in Salzburg. „Heldenplatz“ fand vor dem Hintergrund der Waldheim-Debatte statt und war nur ein Vorspiel. 1999 kam es zur schwarz-blauen Koalition – die von der EU mit Sanktionen belegt wurde. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2010)

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