Lehrer: Zweite Wahl fürs Klassenzimmer

(c) Michaela Bruckberger
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Pensionierungswelle, niedrige Gehälter, schlechtes Image: Müssen die Schulen nehmen, wen sie kriegen? In sechs Jahren droht ein akuter Lehrermangel. Die Besten könnten fernbleiben, so die Warnung der Experten.

Das Schuljahr beginnt, und alle Lehrerstellen sind doch noch besetzt worden. Zum Glück, denn der Lehrermangel nimmt zu. Die letzten offenen Posten konnten gerade noch mit Studenten und mit Praktikern aus der Wirtschaft gefüllt werden. Eltern, aber auch Lehrer und Direktoren fragen sich vor diesem Hintergrund: Unterrichten eigentlich noch die Besten unsere Kinder? Oder wird heute schon fast jeder eingesetzt, der zur Verfügung steht – selbst wenn er nicht für den Job geeignet ist?

Der Zweifel wächst. Denn schon in sechs Jahren droht beim Lehrermangel die erste Spitze, bis 2025 wird die Hälfte der jetzt Aktiven in Pension sein. Und trotz einer Aufwärtsbewegung bei den Studentenzahlen ist ungewiss, ob der Bedarf von 120.000 Lehrern weiter gedeckt werden kann. Die jüngste Begeisterung für den Lehrerberuf – rund 800 Bewerber, aber nur 500 Studenten an der Pädagogischen Hochschule Wien – könnte nämlich eine Krisenerscheinung sein: das Lehramt als sicherer, aber unattraktiver Job.

Immerhin ist das Image der Lehrer in der Öffentlichkeit angekratzt. Sie gehören zu den am wenigsten angesehenen Berufsgruppen: „Sie sind nur auf lange Ferien aus“, so laute ein gängiger – aber ungerechtfertigter – Vorwurf, klagen die Lehrer. Und sie sind niedrig entlohnt, zumindest zu Beginn ihrer Karriere, während ältere Lehrer im OECD-Vergleich sogar überdurchschnittlich gut verdienen. Für Volksschullehrer, die „Ärmsten“ unter den Lehrern, gibt es im ersten Jahr nur knapp 1500 Euro brutto im Monat.

Anders ist das im Rest des deutschen Sprachraums: Deutschland mit seinen 800.000 Lehrern und die Schweiz mit ihren 100.000Lehrern haben bereits begonnen, um österreichische Lehrer zu buhlen: mit mehr Geld, zum Teil allerdings für mehr Arbeit. Auch diesen beiden Ländern droht ein starker Einbruch bei den Lehrerzahlen.

Braindrain in die Wirtschaft

Außer Schulen im Ausland sind Unternehmen eine starke Konkurrenz für Bund oder Land, die Arbeitgeber der Lehrer. „Dringend notwendig“ sei daher eine flachere Gehaltskurve mit höheren Einstiegsgehältern, um Junglehrer anzuziehen, warnen die Lehrergewerkschafter Walter Riegler (Pflichtschulen) und Eva Scholik (AHS). Auch die Ausbildung müsse attraktiver werden: Eine noch bessere Didaktik, teilweise auch eine bessere fachliche Ausbildung wünscht sich die Wiener AHS-Direktorin Heidi Schrodt, wenngleich der Großteil der jetzigen Lehrer „sehr gut und engagiert“ sei. Bei Studenten, die ohne fertige Ausbildung einspringen, sei dies nicht immer der Fall – einige seien schlicht überfordert.

Auslese der Studenten nicht gut genug

Es sollte auch nicht jeder zum Studium zugelassen werden, findet Riegler. Die neun Pädagogischen Hochschulen (PH) wählen zwar vor Beginn aus, ist man einmal im dreijährigen Studium, gibt es aber kaum noch Stolpersteine. Schwächeln Anwärter bei Praktika in der Klasse, liegt es in der Regel an ihnen, die Ausbildung abzubrechen. Auch an den Unis gibt es – außer den Noten – keine Hürden.

Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) verspricht Reformen: Sie will, dass „nur die Besten“ Lehrer werden – nach einer strengen Auslese in den Anfängen des Studiums. Und sie will eine moderne Ausbildung nach internationalem Vorbild etablieren – mit einem Bachelor- und Masterstudium statt des jetzigen Diplomstudiums an den Universitäten. Mittelfristig könnten die Ausbildungen der Bundeslehrer (derzeit an den Unis) und der Landeslehrer (PH) zusammenwachsen. Dass eine Auswahl der „Besten“ scheitern könnte, weil schlicht die Interessenten fehlen, will Schmied – noch – nicht annehmen. Der Run auf die PH könnte anhalten, sofern das Lehrerbild „stimmt“. Aber: „Viel Zeit bleibt nicht. Die Bildungsreform tut dringend Not.“ Wiener ÖVP zur AHS-Reform, S. 22

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2010)

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