Wissenschaft

Affäre Aschbacher: Noch mehr Plagiatsvorwürfe

++ ARCHIVBILD ++ ARBEITSMINISTERIN CHRISTINE ASCHBACHER (OeVP) TRITT ZURUeCK
++ ARCHIVBILD ++ ARBEITSMINISTERIN CHRISTINE ASCHBACHER (OeVP) TRITT ZURUeCKAPA/HELMUT FOHRINGER
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Plagiatsjäger Stefan Weber analysiert eine weitere wissenschaftliche Publikation der Ex-Arbeitsministerin als „komplett paraphrasiertes Plagiat“.

Wien. Die Plagiatsvorwürfe gegen Ex-ÖVP-Arbeitsministerin Christine Aschbacher nehmen auch nach ihrem Rücktritt kein Ende. „Plagiatsjäger“ Stefan Weber veröffentlichte am Dienstag auf seinem „Blog für wissenschaftliche Redlichkeit“ eine Analyse eines wissenschaftlichen Aufsatzes Aschbachers mit dem Titel „Managertypen aus theoretischer Sicht“.

Das sechsseitige Papier wurde mit zwei Co-Autoren verfasst und am 15. April 2020 eingereicht – also in der fünften Woche des ersten Lockdowns und am Höhepunkt der Arbeitslosigkeit. Mehr als eine halbe Million Menschen war zu diesem Zeitpunkt beim Arbeitsmarktservice gemeldet. Rund 1,1 Millionen Arbeitnehmer waren für die Kurzarbeit angemeldet.

Der Aufsatz erschien in der Reihe „Research Papers“ der „Faculty of Materials, Science and Thechnology“ der Technischen Universität Bratislava, Slowakei. Aschbacher schrieb an der Hochschule auch ihre Dissertation. Weber bezeichnet den Aufsatz als „nahezu komplett paraphrasiertes Plagiat“ einer Internetquelle. Aschbacher war für ein Statement nicht erreichbar.

Dissertation am Prüfstand

Weber warf Aschbacher vor, zumindest ein Fünftel der Dissertation plagiiert zu haben. Aschbacher hatte die Arbeit 2012 begonnen, und vergangenes Jahr während ihrer Amtszeit als Ministerin abgegeben und verteidigt. Abgesehen von dem Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit sind auch Deutsch und Schreibstil von minderer Qualität – warum die Universität die Arbeit dennoch mit „Sehr gut“ beurteilte ist nun Gegenstand einer Prüfung.

Auch der „Standard“ berichtete über neue Zweifel an der Wissenschaftlichkeit Aschbachers. So schreibe sie in ihrer Dissertation, dass sie als Methode persönliche Interviews mit einer Dauer von 45 bis 90 Minuten gewählt habe, und zwar mit acht Führungskräften innovativer Unternehmen. Einer soll ein Vertreter des Kärntner Unternehmens Urbas gewesen sein. Ein Geschäftsführer dieses Betriebs hat dies gegenüber dem „Standard“ jedoch ausgeschlossen. Ein anderes Unternehmen sieht „gar keinen Bezug zu unserem Unternehmen und unserem Geschäft“.

Eine nachträgliche Aberkennung des Titels wäre in der Slowakei übrigens auch bei der Feststellung von Unwissenschaftlichkeit nicht möglich. Der Ministerin wird von Weber auch vorgeworfen, große Teile ihrer Diplomarbeit plagiiert zu haben – nun ist er mit Morddrohungen konfrontiert.

Klaus Schneeberger, ÖVP-Bürgermeister von Wiener Neustadt und Aufsichtsratsvorsitzender der FH, will „die damaligen Abläufe nachvollziehen und hinterfragen“. Aschbacher hatte 2006 abgegeben. Die Kollegiumsleitung der Fachhochschule hat als zuständige Behörde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im schlimmsten Fall könne der Titel aberkannt werden.

Bis zum Vorliegen der Erkenntnisse seien Vorverurteilungen hintanzustellen, sagte Schneeberger am Dienstag. Und: „Die wissenschaftliche Integrität ist das Fundament der FH Wiener Neustadt.“

Welcher Tätigkeit Aschbacher künftig nachgehen wird, ist unklar. Eigentlich hätte sie ein Rückkehrrecht ins Finanzministerium gehabt, sie ist dort seit 2002 karenziert. Diese Option löste sie vor ein paar Tagen auf. Ein Anspruch auf eine Gehaltsfortzahlung aus ihrer Ministertätigkeit entstehe dadurch nicht, teilte das Ministerium mit.

Buchmann ohne Doktor

Auch ein anderer, hochrangiger steirischer Politiker war über Plagiatsvorwürfe gestolpert und daraufhin zurückgetreten: ÖVP-Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann, wurde sein Doktortitel von der Uni Graz wegen deswegen aberkannt. Er trat damals als Landesrat zurück und wechselte in den Landtag. Seit knapp zwei Wochen ist er nun Präsident des Bundesrates.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2021)

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