Auf einmal geht es doch ganz schnell: Nach dem Sturm auf das Kapitol ziehen Social-Media-Plattformen harte Konsequenzen. Nicht nur Donald Trump wird gesperrt, auch seinen Anhängern wird der Stecker gezogen. Die Aktion bleibt nicht ohne Kritik.
Der scheidende US-Präsident Donald Trump büßt ein weiteres Sprachrohr ein. YouTube sperrt seinen Videokanal. Angesichts von "Bedenken ob des anhaltenden Gewaltpotenzials" wurden neue Inhalte entfernt. Mindestens eine Woche lang wird das Hochladen weiterer Videos blockiert. Ältere Videos bleiben weiterhin online, jedoch wurde die Kommentarfunktion deaktiviert. Youtube ist nur eine der Plattformen, die auf die Ereignisse vom 6. Jänner reagieren.
Twitter wie auch Facebook haben die Konten von Trump bereits gesperrt und Inhalte von ihren Plattformen genommen, während Amazon das umstrittene Online-Netzwerk Parler aus seinem Web-Hosting-Angebot gestrichen hat. Nutzer sollen sich darüber organisiert haben, auch die Zunahme an gewalttätigen Inhalte habe zu dem Schritt geführt. Bis zur Amtseinführung von Joe Biden am 20. Jänner sollen die Sperren auf den Plattformen mindestens andauern. Dann soll über das weitere Vorgehen entschieden werden, teilten die Unternehmen einhellig mit.
Wo Trump gesperrt wurde
Am meisten schmerzt den scheidenden US-Präsidenten, gegen den ein zweites Impeachment-Verfahren eingeleitet wird, die Twitter-Sperre. Es war seine mächtigste Waffe, um seine Anhänger anzuheizen. Mehr als 88 Millionen Follower erreichte er unter @realDonaldTrump. Den offiziellen Kanal des US-Präsidenten @potus nutzte er sporadisch. 56.571 Tweets hat das Trump-Twitterarchiv verzeichnet, 26.237 davon schickte er als Präsident. In den vergangenen drei Monaten kam Trump im Schnitt auf 30 Tweets am Tag.
Trump verbreitete über den Kanal nicht nur politische Botschaften, sondern oft auch schamlos wirkende Eigenwerbung - etwa am 6. Jänner 2018, als er sich als "ein sehr stabiles Genie" bezeichnete. Twitter selbst begründet den Bann mit dem "Risiko einer weiteren Anstachelung zur Gewalt“. >>> Kommentar: Trumps Spielzeug in Gefahr
Der US-Präsident will Twitter und Facebook schließen. Dabei würde es weitaus wichtigere Dinge geben, um die er sich im Land zu kümmern hätte.
>>> Gastkommentar: Trump und Twitter: Des Lügenbarons eingefrorenes Posthorn
Hat Twitter mit der finalen Sperre des Trump‘schen Twitter-Accounts eine rote Linie der Internetfreiheit überschritten? Oder ist der digitale Plattformgigant endlich seiner Verantwortung gerecht geworden? Eine Güterabwägung.
Da Facebook eine Sperre ausgesprochen hat, ist es nicht sonderlich überraschend, dass auch Instagram keine neuen Inhalte Trumps zulässt. Selbst der Streamingdienst Twitch, der vornehmlich von Gamern genutzt wird, hat sich entschlossen, Trump einen Riegel vorzuschieben. In der Vergangenheit wurden seine Reden und Wahlkampfveranstaltungen auf Twitch übertragen. Nicht zum ersten Mal übrigens, denn im Sommer zog er sich mit diffamierenden Bemerkungen zu den Black-Lives-Matter-Protesten die erste kurzzeitige Sperre zu.
Anhänger wird Online-Vernetzung erschwert
Während es sich auf Twitter Nutzer zur Aufgabe gemacht haben, dem FBI bei der Identifizierung der Teilnehmer des Angriffs auf das Kapitol unter die Arme zu greifen, warnt die US-Bundesbehörde vor weiteren Angriffen. Die Sorge vor weiteren Gewaltausschreitungen bei Bidens Amtseinführung ist groß.
Der Kurznachrichtendienst Twitter sperrte innerhalb weniger Tage mehr als 70.000 Accounts, die im Zusammenhang mit der Gruppierung QAnon stehen.
Unter den QAnon-Anhängern sind viele Trump-Unterstützer, die sich bizarren Verschwörungstheorien hingeben. Sie sind überzeugt, Trump bekämpfe im Geheimen weltweit eine Clique von Menschen, die Kinder zu Sex zwingt und deren Blut trinkt. Darunter sollen prominente Politiker der Demokraten, Hollywood-Größen sowie Mitglieder einer geheimen Organisation gehören, die den Staat lenke. >>> Qanon: Donald Trumps bizarre Verbündete [premium]
Die Forenplattform Reddit, auf der Nutzer in verschiedenen Communities, Subreddits genannt, über Themen diskutieren können, reagiert ebenfalls nach dem Sturm aufs Kapitol. Nachdem im Sommer bereits eine Trump-Gruppe mit 800.000 Mitgliedern gesperrt wurde, ereilte das Forum "Subreddit Donald Trump" das gleiche Schicksal. Die Gruppe würde "Hass verherrlichen oder stiften und Gewalt gegen Gruppen von Menschen oder Einzelpersonen fördern".
Kritik an den Sperren
Jahrelang haben die Plattformen dem Treiben des US-Präsidenten nur zugesehen. Der Sturm auf das Kapitol habe das Fass aber zum Überlaufen gebracht. Das wirft aber auch die Frage auf, wie viel Macht den Big-Tech-Konzernen damit zugesprochen wird. Im Zuge der Sperren hat sich eine ungewöhnliche Allianz zusammengefunden. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Kreml-Kritiker Alexej Nawalny, das Wall Street Journal und Trump-Fans verurteilen das Vorgehen von Facebook, Twitter und Co. Zwar sind sie sich einig, dass Aufrufe zur Gewalt nicht geduldet werden dürfen. Privatunternehmen sollen nicht nach eigenen Maßstäben erlauben dürfen, was erlaubt ist und was nicht, so die einhellige Meinung.