Serie auf Sky

Die jüngste Soap-Opera spielt in der Londoner Bankenwelt

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Blinkende Bildschirme, durcharbeitete Nächte, zickige Kollegen und grausame Chefs – in der HBO-Produktion „Industry“ lernt eine Handvoll Praktikanten die Hochfinanz kennen. Unterhaltsam, nicht mehr. Aber warum hat die sonst großartige Lena Dunham die erste Folge inszeniert?

Da waren's also nur noch vier: So schnell kann es gehen. Zu fünft sind sie angetreten, die hoffnungsvollen Trainees, allesamt smart und mindestens so attraktiv, mit beeindruckenden Lebensläufen und gewinnendem Wesen. Doch schon nach der ersten Folge ist einer von ihnen verloren gegangen auf dem Weg zum großen Erfolg. Ein Kollege bei Pierpoint hat ihn auf der betriebseigenen Toilette gefunden. Genauer seine Beine, die unter der Klotür herausragten. Exitus. Wie in dem berühmt gewordenen Fall jenes 21-jährigen Praktikanten von Merrill Lynch, der vor sieben Jahren nach mehreren durchwachten Nächten unter der Dusche zusammenbrach.

Jetzt opfert nicht jede Serie gleich zum Auftakt einen ihrer Hauptcharaktere. Es ist ein Signal an uns Zuseher, dass die Schreiber und Regisseure es ernst meinen. Dass sie sich um eine kompromisslose Zeichnung des Milieus bemühen, über Abgründe nicht hinwegschauen wollen. Nicht zuletzt deshalb engagierte man wohl als Regisseurin der ersten Folge Lena Dunham („Girls“), die für Kompromisslosigkeit steht und sogar für so etwas wie Wahrhaftigkeit. Aber hier scheitert sie. Was möglicherweise daran liegt, dass die Serie, auch wenn sie so tut, als wäre sie mehr, eigentlich als Soap konzipiert ist. Weshalb vom Toten in den nächsten Folgen auch nicht mehr die Rede sein wird. Vorbei. Vergessen. Auch von seinem Freund.

Wie der smarte Mike Ross in „Suits"

Jetzt muss man zugeben, dass „Industry“ als Soap tatsächlich gut funktioniert. Allein das Personal! Da wäre die ultraschlaue Harper, mit allen Wassern gewaschen und mit einem gefälschten Abschlusszeugnis im Gepäck, wie weiland der smarte Mike Ross in „Suits“. Der charmante Robert, dessen Karriere-Booster die Fähigkeit zu sein scheint, auch nach mit Klienten versoffenen und verkoksten Nächten wie der junge Frühling zum morgendlichen Meeting zu erscheinen. Der ernsthafte Gus. Und die in Notting Hill aufgewachsene Yasmine: Es hilft halt schon, wenn man die richtigen Leute kennt. Die vier stolpern durch Londons Bankenszene, machen Bekanntschaft mit übergriffigen Chefs, zickigen Kollegen, rassistischen Kunden. Dazwischen geht sich ein Büroflirt aus (werden sie sich kriegen?) und die eine oder andere berufliche Tollpatschigkeit. Blöd, wenn man etwa Dollar mit Pfund verwechselt und einen Schaden vom Gegenwert eines Mittelklassewagens verursacht. Da blinkt das Rot bedrohlich über den Bildschirm. Aber die clevere Harper wird eine gewagte Möglichkeit finden, im letzten Moment ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Risiko lohnt sich.

Die Schauspieler, allen voran Harry Lawtey als Robert und Myha'la Herrold als Harper, sind großartig, die Geschichte flott geschrieben, die eine oder andere Pointe ist fein platziert. Man wird also gar nicht so schlecht unterhalten, was in Zeiten wie diesen ja auch etwas wert ist. Aber die große Banker-Serie, als die sie angekündigt wurde, ist „Industry“ nicht (genauso wenig wie „Suits“ von den Hintergründen der Anwaltsarbeit erzählte). Da wirkte „Bad Banks“ weit realistischer und brutaler.

Und um die anfangs gestellte Frage zu beantworten, warum Lena Dunham die erste Folge inszeniert hat: Vermutlich ging es ums Geld. Das brauchen nicht nur Banker.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2021)

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