Parlamentsdebatte

21 Fragen an Anschober - und warum die FPÖ schneller impfen will

SONDERSITZUNG NATIONALRAT: RENDI-WAGNER/ANSCHOBER
SONDERSITZUNG NATIONALRAT: RENDI-WAGNER/ANSCHOBERAPA/ROBERT JAEGER
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Die Verimpfung im Land dauert zu lange – das findet sogar die FPÖ. Gesundheitsminister Anschober verteidigt den Plan der Regierung. Und geht im Hintergrund einen Schritt auf die SPÖ zu.

Wer einige Stunden im Sitzungssaal des Parlaments verbringt, auf der Besuchergalerie oder Journalisten-Stiege, muss sich am Ende die Frage stellen: Was bleibt von der Debatte über? Meist sind es die skurrilen Anekdoten, die überraschenden Aktionen, die überliefert werden. Das Parlament ist immerhin eine Bühne. Gerade während einer Pandemie, wenn so viele andere Auftrittsmöglichkeiten fehlen. Die Abgeordneten kennen also ihre Rollen: Es ist ihre Chance, ins Rampenlicht zu kommen. Sei es nur für einige Minuten, die sie dann auf ihren Social-Media-Kanälen posten können. Das ist vor allem für die Opposition wichtig. Die Minister haben auf der Regierungsbank lediglich ihren Gastauftritt, oft auf Wunsch der Parlamentarier.

Der absurdeste Moment während der Sondersitzung am Mittwoch war also – um das gleich vorweg zu nehmen – vermutlich um 13.18 Uhr. Gerade hatten die Neos den grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober dazu aufgefordert, wieder in den Saal zurückzukehren. Er hatte ihn während der Rede des Abgeordneten Gerald Loacker verlassen. SPÖ und FPÖ stimmten der Partei zu. Der freiheitliche Generalsekretär Michael Schnedlitz ging der Sache nach: „Mein Vorredner hat behauptet, der Gesundheitsminister wäre nur aufs WC gegangen, tatsächlich hat er draußen das Buffet aufgesucht.“ Dafür trat er ans Rednerpult für eine „tatsächliche Berichtigung“ – ein rechtlich vorgesehenes parlamentarisches Instrument: Darunter versteht man „die Richtigstellung eines behaupteten Sachverhalts durch einen Redner/eine Rednerin während einer Sitzung“, wie es auf der Parlamentshomepage heißt.

Die Sitzung fand, um im Parlamentsjargon zu bleiben, auf Initiative der SPÖ statt: Sie hatte eine „dringliche Anfrage“ an Anschober zum Thema Impfungen eingebracht. In 21 Fragen wollte die Partei unter anderem wissen, wie die Regierung die Risikogruppen, aber auch die breite Bevölkerung zu impfen gedenkt. Manche Regierungsmitglieder (vor einigen Wochen zum Beispiel noch Finanzminister Gernot Blümel) beantworten die Fragen oft bündelweise mit einem pauschalen Ja oder Nein, ohne die Fragestellung zu wiederholen.

Anschober wählte eine andere Taktik: Er nutzte seine Redezeit ausführlich. Sehr ausführlich. Mehr als 40 Minuten sprach er über die Coronapolitik der Regierung. Für gewöhnlich sollte sie die Redezeit 20 Minuten nicht übersteigen.

Anschober holte also aus: Er sprach über die kommenden Herausforderungen („Ich glaube, dass wir in den nächsten Wochen die schwierigste Phase dieser Pandemie erleben“). Hielt ein Blatt Papier hoch, das die angespannte Lage in Irland im Vergleich zeigt („Unsere Infektionszahlen sind viel besser geworden, aber wir sind noch lange nicht am Ziel“). Und er freute sich über die Testintensität in Österreich („Jetzt hören Sie bitte zu: 18.800 PCR-Tests, 102.000 Antigentests – und das alles in den letzten 24 Stunden“). Erst dann kam er zu den Impfungen: Die Bundesländer seien gerade dabei, Impfstellen zu planen. Erst am Dienstag seien die Risikogruppen genauer definiert worden. Wann ein Impfstoff für Kinder zugelassen werde, sei noch unklar. So weit, so klar: Neue Details konnte Anschober im Parlament also nicht verkünden.

Damit ging das Wort wieder an die Abgeordneten: Zum Beispiel an Beate Meinl-Reisinger (Neos), die den späten Impfstart in Österreich kritisierte: „Sie haben so oft von entscheidenden Wochen gesprochen, und auf einmal kommt es auf ein paar Wochen nicht an? Das kann ich nicht nachvollziehen.“ Sogar der FPÖ geht es zu langsam. Eine Kurskorrektur bedeutet das aber nicht: Dagmar Belakowitsch sagte zuerst, sie wolle sich nicht impfen lassen. Und dann: „Es weiß hier niemand, ob eine Impfung wirkt.“ Daraufhin gab es wieder eine „tatsächliche Berichtigung“: ÖVP und Grüne machten darauf aufmerksam, dass das nicht stimmt. Die Wirkung des Impfstoffs ist wissenschaftlich belegt.

Eine Einigung beim „Reintesten“

Inhaltlich wurde am Mittwoch nicht weit vom Sitzungssaal, aber hinter den Kulissen debattiert und verhandelt: ÖVP, Grüne und Neos einigten sich auf einen Gesetzestext zum sogenannten „Reintesten“. Dadurch soll es möglich sein, mit einem (aktuellen) Corona-Test bestimmte Freiheiten zurückzuerlangen – zum Beispiel das Besuchen von Veranstaltungen. Am Donnerstag soll es beschlossen werden.

Die Koalitionsparteien sind den Sozialdemokraten in einigen Punkten entgegen gekommen, wie die Austria Presseagentur berichtete: Die Tests werden für Mitarbeiter kostenlos sein, außerdem wird eine Basis dafür geschaffen, dass in Betrieben zunächst Test- und später auch Impfstraßen errichtet werden können. Die Gastronomie dürfte vom „Reintesten“ nicht explizit ausgenommen sein, das Gesundheitsressort soll der SPÖ aber versichert haben, dass der Sektor nicht betroffen sein wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2021)

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