Streamingtipps

Im Film geht Black Lives Matter weiter: Neues schwarzes Kino auf Netflix, Amazon & Co.

2020 war ein Jahr des schwarzen Protests. Seine Impulse schlugen sich auch in Filmen nieder, die wegen Corona nicht ins Kino konnten, aber trotzdem für Aufsehen sorgten – und auch hierzulande gestreamt werden können.

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Small Axe

Fünf Filme von Steve McQueen
Zum Kauf auf Amazon Prime

Nach dem Sturm auf das Kapitol bahnt sich in den USA ein neuer Diskurs über gewaltsame Ausschreitungen militanter Demokratie-Skeptiker an. 2020 (wie lange ist das her?) weckte der Begriff „Protestmarsch“ noch andere Assoziationen, doch die Black-Lives-Matter-Bewegung und ihre Forderungen wirken aktuell wie an den medialen Rand gedrängt. Teils schwelen ihre Energien in Produktionen weiter, die im Vorjahr im Netz erschienen – und dort oft auf bemerkenswerte Resonanz stießen. Darunter sind auch namhafte Projekte aus Europa, die ohne Corona auf A-Festivals wie Cannes Premiere gefeiert hätten.

Etwa „Small Axe“, eine BBC-Miniserie des Medienkünstlers und Edeldrama-Spezialisten Steve McQueen: In fünf Folgen, die eigentlich fünf unabhängige Filme sind, porträtiert er die karibische Community im London der 1960er und 70er (der Titel bezieht sich auf einen Bob-Marley-Song). Jede Episode müht sich auf ihre Wiese um ästhetische und politische Dringlichkeit: Während „Mangrove“ noch dem Oscar-Muster des rechtschaffen Gerichtsfilms folgt, taucht „Lovers Rock“ in die Stimmungswolken einer Reggae-Hausparty ein, zerfließt mit der Musik, lädt zu Tanz (und Trance) vor dem Bildschirm. (and)

Antebellum

Von Gerard Bush, Christopher Renz
Zum Leihen und Kaufen bei diversen Anbietern (Amazon, iTunes, Google Play, etc, ab € 4,99)

Ein Grundpfeiler schwarzer Gleichheitsbestrebungen liegt im Beharren auf dem unterschwelligen Fortbestand historischer Ungerechtigkeiten in der Gegenwart. „Antebellum“ packt diesen Gedanken in das knallige Genre-Gewand eines Sklaverei-Rachedramas à la „Django Unchained“, dessen Wirksamkeit auf einem hintersinnigen Plot-Twist (und einer starken Schauspielleistung des Pop-Chamäleons Janelle Monáe) fußt. Das Resultat wäre in einer Folge der „Twilight Zone“-Neuauflage besser aufgehoben, das plakative Grundkonzept reicht kaum für 105 Minuten angestrebter Spannung. Doch es hat fraglos Biss – und wurde in den USA kontrovers diskutiert. (and)

Ma Rainey's Black Bottom

Von George C. Wolfe
Zu sehen auf Netflix

„Ma Rainey's Black Bottom“ spielt in den Roaring 20's, als die Partys wild und die Jazzlokale überfüllt waren. Handlungsort ist jedoch der spartanische Keller eines Plattenstudios in Chicago, wo der Trompeter Levee (Chadwick „Black Panther“ Boseman in seiner letzten Rolle) mit Bandkollegen auf die Ankunft von Gertrude „Ma“ Rainey (grandios: Viola Davis als schweißgebadete „Mutter des Blues“) wartet. Als sie endlich da ist, gerät die Aufnahme-Session für eine LP durch die Allüren der Diva rasch zum Desaster. Das fesselnde Kammerspiel überschlägt sich vor dynamischen Dialogduellen, die hauptsächlich um die Ängste und Hoffnungen von Afroamerikanern aus den Südstaaten während der Great Migration kreisen. (mt)

His House

Von Remi Weekes
Zu sehen auf Netflix

Horrorfilme sind am besten, wenn der Schrecken, den sie zeigen und auslösen, im Realen wurzelt. „His House“ beginnt wie ein unscheinbares Flüchtlingsdrama. Ein Ehepaar aus dem kriegsgeplagten Südsudan entrinnt in seiner Heimat einem Massaker. Es flieht nach England, wo es von kaltschnäuzigen Asylbeamten in ein marodes Haus verfrachtet wird und bald mit Plattenbau-Tristesse, Anpassungsdruck und Alltagsrassismus konfrontiert ist. Zuerst unterschwellig und später immer drastischer mutiert das anfangs wirklichkeitsgetreue Geschehen derweil zum fantastischen Gruselschocker, wobei die Heimsuchungen durch blutrünstige Dämonen aber einen klaren Bezug zu den realen Traumata der Einwanderer wahren. Bemerkenswert! (mt)

Time

Von Garrett Bradley
Zu sehen im Abo von Amazon Prime

„Do the crime, do the time“, lautet ein Spruch, hinter dem sich die volle Wucht des US-Strafsystems verbirgt: Oft können hier Vergehen, die in Europa mit relativer Mäßigung geahndet werden, Menschen lebenslänglich ins Gefängnis bringen. Die Kritik an den zuweilen drakonischen Maßnahmen, die Haftanstalten füllen und den Staat viel Geld kosten, wächst – und zeitigt Dokumentarfilme wie „Time“.

Er folgt dem Fall einer jungen Familie. Nach einem gescheiterten Banküberfall lautet das Urteil für den Vater: 60 Jahre. Die Mutter wird früher entlassen. Und kämpft seither für die Freiheit ihres Mannes sowie für die Reform von Strafgesetzen, deren Leidtragende mit überwiegender Mehrheit schwarz sind. Der Fokus der Regisseurin Garrett Bradley liegt auf den verbissenen Bemühungen der Hauptfigur Sibil Richardson und dem zermürbenden Zyklus aus Ansuchen, Abweisung und Warterei, der ihren Alltag bestimmt. Wobei die Inszenierung einen ungewöhnlichen, lyrisch-poetischen Zugang wählt: Sanfte Schwarz-Weiß-Bilder, Heimvideo-Einsprengsel, ein luftiger Klaviersoundtrack und eine unaufdringliche Erzählweise, die zwei Dekaden in achtzig Minuten zu fassen sucht – alles mit dem Ziel der Empathie. (and)

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