Junge Forschung

Mikrochips ganzheitlich getestet

Lisa Mitterhuber misst in ihrer Forschung mit unterschiedlicher zeitlicher Auflösung – bis in die Billionstel von Sekunden.
Lisa Mitterhuber misst in ihrer Forschung mit unterschiedlicher zeitlicher Auflösung – bis in die Billionstel von Sekunden. Helmut Lunghammer
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Die Physikerin Lisa Mitterhuber kombinierte Messmethoden, um den Wärmeleitpfad eines elektronischen Systems besser darzustellen: eine Basis für leistungsfähigere Elektronik.

Das Dissertationsthema von Lisa Mitterhuber klingt zwar kompliziert: „Methodiken zur Charakterisierung des Wärmetransports von mikroelektronischen Bauteilen“. Doch sie kann es plausibel auf den Punkt bringen: Jeder, der mit seinem Auto schon einmal eine steile Passstraße hinaufgefahren ist, weiß, dass der Verbrennungsmotor heiß laufen und das Kühlergebläse mitunter dröhnend zu brummen beginnen kann. Höhere Temperaturen können elektronischen Bauteilen ebenso leistungsmindernd zusetzen. „Wir erwarten von der Elektronik heutzutage, dass sie bei kleiner werdendem Bauraum immer leistungsfähiger wird“, sagt Mitterhuber. Je größer aber die geforderte Leistungsdichte ist, desto größer sei der Temperaturanstieg, der mit einem Lebensdauerverlust und mit teuren Kühlkonzepten einhergehe.

Im Computer, im Handy und im Auto

Durch ihre Arbeit schafft die Forscherin die Basis für optimierte elektronische Bauteile: mit leistungsfähigeren und ökonomischeren Merkmalen. Für ihr Dissertationsprojekt erhielt Mitterhuber – als Senior Scientist in der Abteilung für Materialien für die Mikroelektronik am Materials Center Leoben Forschung GmbH tätig – im November 2020 den TÜV-Austria-Wissenschaftspreis. Dieser Preis wurde über ein Online-Voting direkt vom Publikum vergeben.

Bei den untersuchten Komponenten handelt es sich im Wesentlichen um Leiterplatten, die mit elektronischen Chips und Transistoren bestückt sind; bis hin zu den Kühlkörpern. Diese Teile finden sich z. B. in Computern, Smartphones oder der Autoelektrik. Mitterhuber hat erstmals zwei etablierte Temperaturmessmethoden, die thermische Impedanzmessung und die Time-Domain-Thermoreflectance-Messung, miteinander kombiniert, um ganzheitliche Ergebnisse in Bezug auf den Wärmetransport für die elektronischen Bauteile zu erhalten.

Die thermische Impedanzmessung misst das Abkühlen und Aufheizen eines Bauteils mit einer zeitlichen Auflösung von einigen Mikrosekunden. Eine Mikrosekunde ist der millionste Teil einer Sekunde, was aber für eine genaue Analyse des Wärmeverlaufes aller zu messenden Bauteile immer noch zu langsam ist. Die TDTR-Messmethode – Time Domain Thermoreflectance – ermöglicht das Messen im Pikosekundenbereich, dem billionsten Teil einer Sekunde.

Durch die unterschiedlichen Zeitauflösungen lassen sich beide Messmethoden zu einer Gesamtsicht des Wärmepfades verschränken. „Mein Ansatz für meine Dissertation war, das System ganzheitlich zu betrachten. Das heißt, ich arbeite mich vom Chip, also von der Mikroebene im Nanometerbereich, bis hin zur Makroebene eines großflächigen Gehäuses vor, um den Wärmetransport eines ganzen Systems bewerten zu können“, erklärt Mitterhuber. Das Kombinieren beider Messmethoden eignet sich demnach als skalenübergreifende Methodik – zeitlich wie räumlich – zur Wärmetransportcharakterisierung.

„Die aus den Messungen resultierenden Messkurven stellen die Superposition – eine Eigenschaft linearer Gleichungen – des Aufheizens der einzelnen strukturellen Elemente des Bauteils dar: aus mathematischer Sicht gesehen also die Bildung einer Summe über Exponentialfunktionen“, erklärt Mitterhuber. Für das Identifizieren dieser strukturellen Elemente und deren thermischer Auswirkungen werde dabei der gemessene Wärmeflusspfad in Form von Wärmewiderständen und Wärmekapazitäten umgewandelt. Somit sei es möglich, detaillierte thermische Informationen für jede von Wärme durchflossene Schicht zu analysieren.

Warum sie sich für eine naturwissenschaftliche Forschungskarriere entschieden und Technische Physik studiert habe, beantwortet Mitterhuber damit, dass Mathematik im Gymnasium immer schon ihr Lieblingsfach gewesen sei. Vielleicht habe es daran gelegen, dass ihr das Experimentieren in der Jugend mit dem Chemie- und Kristallzuchtbaukasten besonders große Freude bereitet habe, sagt sie und schmunzelt. Um einen Ausgleich zum Forschungsalltag zu finden, joggt sie in ihrer Freizeit regelmäßig oder wandert gern in den Bergen rund um Leoben.

ZUR PERSON

Lisa Mitterhuber (29) studierte Technische Physik an der TU Graz und schloss 2016 ihr Masterstudium ab. An der Montanuni Leoben promovierte sie 2019 zur Doktorin der Montanistischen Wissenschaften mit Auszeichnung. Neben anderen Preisen erhielt sie im November 2020 den TÜV-Austria-Wissenschaftspreis. Derzeit arbeitet sie beim Forschungsunternehmen Materials Center Leoben.

Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforschung 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2021)

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