Warnung an Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen: Die Sicherheit der Helfer und der von ihnen transportierten Güter ist in Pakistan derzeit ein großes Thema. Geraten sie ins Fadenkreuz der Taliban?
Islamabad. Die mit Hilfsgütern beladenen Lastwagen rollen in die Überschwemmungsgebiete im Süden Pakistans. An Bord haben sie Lebensmittel und Wasser, die von der Organisation Hilfswerk Austria International finanziert und von der pakistanischen Shifa Foundation verteilt werden. Dafür, dass der Konvoi aus Pakistans Hauptstadt Islamabad auch tatsächlich bei den Flutopfern ankommt, sorgt die Armee.
Die Sicherheit der Helfer und der von ihnen transportierten Güter ist in Pakistan derzeit ein großes Thema. Dabei geht es um Ausschreitungen bei der Verteilung der dringend benötigten Lebensmittel, aber auch um mögliche Angriffe der radikalislamischen Taliban auf westliche Helfer.
Das Hilfswerk arbeitet – so wie die meisten internationalen Hilfsorganisationen – mit lokalen Partnern zusammen. Pakistanische Organisationen wissen am besten, was wo gebraucht wird und wie es am schnellsten und am sichersten zu den Betroffenen kommt. Auch die Caritas oder Licht für die Welt kooperieren mit nationalen Hilfsorganisationen.
Der Hilfswerk-Konvoi wird von eigenen Sicherheitsleuten der Partnerorganisation begleitet. Ashraf Raja organisiert die Transporte. Er war Offizier der pakistanischen Armee. „Mit Bewachung laufen die Transporte einfach angenehmer ab“, meint er. Beobachten bewaffnete Soldaten die Verteilung, trauen sich die Wartenden keinen Mucks zu machen.
Oft treffen pakistanische Helfer in den Dörfern auf Ansammlungen von Menschen, die schon lange auf die Lebensmittellieferungen warten. Aus Verzweiflung und Angst, vielleicht kein Paket mehr zu erhalten, kommt es zu Handgemengen und Ausschreitungen. Im pakistanischen Fernsehen waren Szenen zu sehen, in denen Helfer die Verteilungen nicht mehr unter Kontrolle halten konnten und die Hilfsgüter einfach vom fahrenden Lkw warfen.
Drohungen der Taliban
Beunruhigt ist man bei den internationalen Organisationen auch wegen angeblicher Drohungen der Taliban, gegen westliche Helfer vorgehen zu wollen. „Zur Vermeidung eventueller Angriffe in Krisengebieten gibt es klare Richtlinien der UNO und der EU“, sagt der Tiroler Bernd Noggler in seinem Büro in Islamabad. Vor fast drei Wochen hat er seinen Dienst in Pakistan angetreten. Für den „Europäischen Zivilen Katastrophenschutz“ koordiniert er die EU-Hilfe. Derzeit ist er mit einem EU-Team von drei Mitarbeitern in Pakistan tätig.
„Mitarbeiter von internationalen Hilfsorganisationen sollten auf geringe Sichtbarkeit achten, also möglichst nicht in Gruppen mit auffälligen T-Shirts auftreten“, sagt Noggler. Wichtig sei es, lokale Partner so einzuschulen, dass deren Mitarbeiter die Arbeit aufnehmen können.
Darüber hinaus meint Noggler, man müsse immer beachten, dass man sich in Pakistan in einem muslimischen Land mit eigenen Traditionen befinde. Das müssten die internationalen Helfer in Betracht ziehen. Er würde auch davon abraten, sich in die Stammesgebiete vorzuwagen.
Gefahr nach Ramadan-Ende
Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) hat in den vergangenen Wochen zwar „sicherheitsrelevante Vorfälle“ auf Mitarbeiter von internationalen NGOs verzeichnet. Doch von Taliban-Angriffen ist nichts bekannt.
Aufgrund des Fastenmonats Ramadan laufe das Leben im Land ruhiger, doch bis zum Ende der Fastenzeit am 9. September würde er den internationalen Organisationen raten, das Land zu verlassen. „Dann könnte sich die Lage verschärfen“, sagt Noggler.
SPENDENAKTION
■„Die Presse“ unterstützt die Aktion „Wir bauen Leben“ der Organisation Hilfswerk Austria zugunsten der Flutopfer in Pakistan.
■Spendenkonto
PSK 91.100.500, Kennwort „Flut in Pakistan“. Weitere Spenden nehmen die Hilfsorganisationen Rotes Kreuz (PSK 2.345.000) oder Ärzte ohne Grenzen (PSK 930.40.950) entgegen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2010)