Verfahrenstechnik

Mit Schlachtabfällen Gutes für Böden und Klima tun

Tierische Reststoffe können dank eines neuen Verfahrens in wertvolle Materialien wie Düngemittel für die Landwirtschaft umgewandelt werden.
Tierische Reststoffe können dank eines neuen Verfahrens in wertvolle Materialien wie Düngemittel für die Landwirtschaft umgewandelt werden.Imago Images
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Tierische Reststoffe können dank eines neuen Verfahrens in wertvolle Materialien wie Düngemittel für die Landwirtschaft umgewandelt werden. Die als Biokohle in den Boden eingebrachte Biomasse ist zugleich ein Speicherstoff, der Kohlendioxid Hunderte Jahre bindet.

Knochen, Borsten und Hufe gehören zu jenen tierischen Reststoffen in Schlachtbetrieben, die keine Abnehmer finden und thermisch entsorgt werden müssen. Christoph Pfeifer von der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien hat in einem dreijährigen Projekt in Kooperation mit mehreren Forschungs- und Industriepartnern (Koordination: Bioenergy and Sustainable Technologies GmbH) ein Verfahren dazu entwickelt, wie aus solchen und ähnlichen organischen Abfällen ein Düngemittel gemacht werden kann. „Die Idee ist, dass sich so die lokalen Nährstoffkreisläufe schließen lassen“, erklärt der Verfahrenstechniker. „Schlachtbetriebe können dann den Bauern ein Produkt anbieten, anstatt für die Entsorgung von Resten zu bezahlen.“

Gärreste aus Biogasanlage nutzen

In dem FFG-geförderten Projekt arbeiten Pfeifer und sein Team mit dem oberösterreichischen Schlachtbetrieb Großfurtner zusammen. „Hier beschäftigt man sich schon seit einigen Jahren mit Energieoptimierung und entsorgt viele Abfälle über die eigene Biogasanlage. Damit wird wiederum ein wesentlicher Anteil des benötigten Stroms und der benötigten Wärme im Werk erzeugt.“ Ein Nullsummenspiel ist das trotzdem nicht. Denn für diese Form der Verwertung eignen sich nicht alle Schlachtabfälle. Und auch nach der Vergärung der Biomasse bleibt noch ein Gärrest. Dieser enthält jedoch sehr viele Nährstoffe wie Phosphor, Kalium und Stickstoff. Das macht sich Pfeifer zunutze: „Wir erzeugen aus übrig gebliebenen tierischen Reststoffen Biokohle, die nicht nur an sich als Dünger geeignet ist, sondern auch als Träger für die flüssige Phase des Gärrestes aus der Biogasanlage.“ Und voilà: Fertig ist das biobasierte Super-Düngemittel.

Üblicherweise wird Biokohle durch zwei gängige Verfahren – Pyrolyse und hydrothermale Karbonisierung (siehe Lexikon) – aus organischem Material gewonnen. Der Kohlenstoff entweicht dabei nicht, sondern wird in dem festen Endprodukt eingeschlossen. „Wir bedienen uns der Pyrolyse und untersuchen derzeit, welche Verfahrensbedingungen es für die perfekte Porösität braucht“, so Pfeifer. „Es braucht eine bestimmte Porengröße, damit die Flüssigkeit auch gut eindringen kann.“ Für das Aufkonzentrieren des Gärrestes ist das Partnerunternehmen AEE Intec zuständig.

Im Labor konnte Pfeifer bereits zeigen, dass es technisch möglich ist, aus Schlachtabfällen eine Kohle mit Düngewirkung zu gewinnen. In Verbindung mit dem Gärrest kann das neue Produkt als wertvolle Bodenverbesserung zurück in die Natur gebracht werden. In den kommenden Wochen wird das Verfahren nun zusätzlich in Demoanlagen bei zwei Industriepartnern geprüft.

Doch wie realistisch ist es, dass sich dieser Prozess in Schlachthöfen etabliert? „Das ist natürlich eine Frage der Unternehmenskultur“, räumt Pfeifer ein. „Grundsätzlich muss der Betrieb aber nicht zum Chemiekonzern umgerüstet werden. Es braucht lediglich drei Säulen: eine Biogasanlage, gefolgt vom Aufkonzentrieren des Gärrestes, und eine Pyrolyseanlage – das sind relativ einfache und wenig gefährliche Verfahren.“

Indigene Praktiken mit Vorbildwirkung

Die Erzeugung von Biokohle ist auch mit Blick auf die Klimakrise interessant. „Biokohle ist im Boden über einen langen Zeitraum stabil“, sagt Pfeifer. „Das bedeutet, Kohle, die ich jetzt in den Boden einbringe, ist noch in über hundert Jahren vorhanden.“

Terra preta etwa, jene Erde, die die indigene Bevölkerung im Amazonasbecken vor Hunderten Jahren durch die Beigabe von Kohle, Kompost und Knochen produziert hat, ist heute immer noch fruchtbar. „Wenn ich also mit Biomasse eine Biokohle mache und diese als Dünger verwende, habe ich einerseits den landwirtschaftlichen Gewinn des fruchtbaren Bodens, aber ich habe auch nachhaltig CO2 gebunden.“

Ein weiteres Projekt zum Thema Biokohle an der Boku untersucht die Pyrolyse von abgeernteten Baumwollpflanzen. Diese werden bislang verbrannt, um das Überleben von Schädlingen zu vermeiden. Forscher um Rafat Al Afif zeigten, dass ein Drittel des CO2, das die Pflanze aufnimmt, um zu wachsen, über daraus gewonnene Biokohle in den Boden eingebracht werden könnte.

LEXIKON

Biokohle ist die Bezeichnung für Kohle, die aus jeglicher Art organischen Materials als Eingangsstoff gewonnen wird.

Pyrolyse ist das Standardverfahren zur Herstellung von Biokohle. Bei thermochemischen Umwandlungsprozessen werden die organischen Verbindungen bei Temperaturen von 400–600 Grad und in Abwesenheit von Sauerstoff gespalten.

Hydrokohle nennt man Biokohle, die mittels hydrothermaler Karbonisierung bei erhöhtem Druck und Temperaturen von 200–250 Grad hergestellt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2021)

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