Deutschlands "Wetterfrosch" Kachelmann steht ab Montag vor Gericht. Ist er ein Vergewaltiger, oder hat er nur Pech mit einer enttäuschten Geliebten? Der Medienandrang ist enorm.
Juhuuu“, schrieb Simone W. am 8.Februar im Chat. Er werde ein wenig verspätet eintreffen, antwortete Jörg Kachelmann. Als er da war, gab es, entgegen dem üblichen Protokoll, erst einmal Essen, Pasta alla Bolognese. Szenen einer Fernbeziehung, die inzwischen ganz Deutschland beschäftigt. Über das, was danach zwischen Simone und dem Wettermoderator Jörg Kachelmann(52) passiert ist, rätselt die Nation seit Monaten.
Simone jedenfalls will Kachelmann einer Parallelbeziehung verdächtigt und mit einem Flugticket konfrontiert haben, auf dem der Name einer anderen Frau stand. Er habe daraufhin die Beziehung und mehr Kontakte zu anderen Frauen gestanden, als Simone hören wollte. Er habe ihr erklärt, er leide an einer gespaltenen Persönlichkeit, benutze diese anderen Frauen nur. Sie habe ihn aufgefordert zu verschwinden. Und er habe ihr ein Küchenmesser an den Hals gedrückt und sie vergewaltigt.
Aussage gegen Aussage
Die Wahrheit – oder die Erfindung einer enttäuschten Frau? Eine Frage, die vor Gericht geklärt werden soll. Zumindest ein Gutachten zweifelt an der Glaubwürdigkeit von Simone. Ab heute steht Kachelmann vor dem Mannheimer Landgericht. Dort muss er sich wegen des Vorwurfs der schweren Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung verantworten. In seiner Version kam es zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr – eine „emotionale“ Verabschiedung, nachdem Simone Schluss gemacht habe.
Der Medienandrang ist enorm, die Plätze sind begrenzt, die Sicherheitsvorkehrungen hoch. Für die „Bild“-Zeitung wird den Prozess gar die deutsche Frauenrechtlerin Alice Schwarzer covern und wöchentlich kommentieren. Es sei gerade in diesem Fall nötig, dass in einem tagesaktuellen, meinungsprägenden Blatt auch die Sicht des mutmaßlichen Opfers ernst genommen wird, schreibt die Journalistin und Verlegerin der „Emma“. Anderen Leitmedien wirft Schwarzer Parteilichkeit für Kachelmann vor.
15 Prozesstage sind bis Ende Oktober angesetzt. Im Fall einer Verurteilung drohen Kachelmann fünf bis 15Jahre Haft. Neben dem mutmaßlichen Opfer sollen vor Gericht 25 Zeugen vernommen werden, darunter laut Staatsanwaltschaft auch „diverse weibliche Zeugen aus dem Umfeld des Angeklagten“. Außerdem sind fünf Sachverständige zu dem Prozess geladen.
Wetterfrosch seit 20 Jahren
Simone W. (37), die als Nebenklägerin auftritt, soll erst am neunten Verhandlungstag, dem 13.Oktober, aussagen. Die Radioreporterin war elf Jahre lang eine von Kachelmanns Geliebten – zuletzt soll er fünf gleichzeitig gehabt haben.
Der Schweizer Kachelmann hatte vor 20 Jahren das Geschäftsmodell Wettervorhersage erfunden und es bis in die Primetime der ARD geschafft. Er gründete die Firma Meteomedia, deren Zentrale in Gais im Kanton Appenzell-Ausserrhoden liegt. Der Wettermoderator hatte über Persönliches nie gesprochen, kaum jemandem erzählte er, dass er Frau und Kinder hatte.
Mit der „Diskretion“ und der Beliebtheit war es schnell vorbei, als Kachelmann am 20.März bei seiner Rückkehr von den Olympischen Winterspielen in Vancouver auf dem Flughafen Frankfurt verhaftet und die Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden. Mehrere Medien berichteten seither teils sehr detailliert aus Ermittlungsakten und Gutachten.
Nach 132 Tagen Untersuchungshaft kam Kachelmann Ende Juli frei und beteuerte seither in mehreren Interviews seine Unschuld. Es steht Aussage gegen Aussage. Nur zwei Personen kennen die Wahrheit. Für das Gericht keine einfache Ausgangslage.
Auf einen Blick
■Jörg Kachelmann (52),Schweizer Fernsehmoderator, in Deutschland durch Wettervorhersagen und Talkshows in der ARD bekannt, steht ab heute, Montag, in Mannheim vor Gericht. Dort muss er sich wegen des Vorwurfs der schweren Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung verantworten. Geklagt hat ihn die Radioreporterin Simone W. (37).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2010)