Covid-19

Längerer Lockdown zeichnet sich ab, Experten warnen vor Virus-Mutante

Wird Österreich nach dem 24. Jänner wirklich aufsperren dürfen? Die Regierung entscheidet am Wochenende über die weitere Vorgangsweise in der Coronavirus-Pandemie.
Wird Österreich nach dem 24. Jänner wirklich aufsperren dürfen? Die Regierung entscheidet am Wochenende über die weitere Vorgangsweise in der Coronavirus-Pandemie.(c) APA/AFP/JOE KLAMAR
  • Drucken

Mehr FFP2-Masken, verpflichtendes Homeoffice und drei Wochen länger Lockdown: Nach einer Lockerung sieht es nicht aus, nachdem die Regierung mit Experten über das weitere Vorgehen beraten hat. Eine Entscheidung wird für Sonntag erwartet.

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Österreich dürften verlängert, möglicherweise sogar verschärft werden. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihres Gesprächsmarathons an diesem Wochenende zur aktuellen Corona-Situation und zur Beratung über die weiteren Schritte am Samstagmorgen Einschätzungen von Experten eingeholt. Diese warnen vor einer Lockerung des derzeit gültigen Lockdowns.

Oswald Wagner etwa, Vizerektor für Klinische Angelegenheiten der Med-Uni Wien. Er betont gleich zu Beginn eines ersten Pressestatements nach diesem Gespräch, dass die aktuellen Infektionszahlen zu hoch für eine Lockerung seien. Auch die 7-Tages-Inzidenz sei zu hoch und gehe nicht stark genug zurück. Zur Orientierung: Momentan habe sich die Zahl zwischen 130 und 150 eingependelt. „Das ist für ein Ende des Lockdowns viel zu hoch“, so Wagner, für eine Lockerung müsste diese Zahl wesentlich unter 50 liegen.

Der Lockdown müsse jedenfalls verlängert werden, um dieses Ziel zu erreichen - und für alle Bereiche gelten, sagte Wagner. Auf eine Dauer wollte er sich nicht konkret festlegen, dies sei eine politische Entscheidung aber: "Ich denke, dass wir mit zwei oder drei Wochen dieses Ziel erreichen müssen."

Eine klare, eindringliche Forderung richtete der Vizerektor an die Politik, was die Einschränkung der Bewegungen der Bevölkerung angeht. Dazu sei es vor allem notwendig, Homeoffice zur Pflicht zu machen (dort wo es möglich ist). Dies sei auch in Hinblick auf die Schulen und Kindergärten wichtig, wo derzeit teils über 50 Prozent der Kinder zur Betreuung anwesend sind. "Dass so viele Kinder in den Kindergärten und Schulen in Betreuung sind hängt ja auch damit zusammen, dass die Eltern arbeiten gehen. Es ist ganz wichtig, dass Homeoffice eingeführt wird und auch verpflichtend gemacht wird. All diese Eltern können und sollten dann Kinder auch zu Hause betreuen", betonter er. Eine generelle Einschränkung des Bewegungsradius hält Wagner aber für nicht notwendig.

FFP2-Masken und regelmäßiges Testen

Wichtig sei, besonders auch hinsichtlich der britischen Coronavirusvariante, dass sich Österreich im Gleichklang mit seinen europäischen Nachbarn bewege. Es könne nicht sein, dass ein Land aufmache und ein anderes zu - so würde ein ständiges „Ping-Pong"-Spiel entstehen. Um einen weiteren Lockdown zu vermeiden, bis die Impfung greift, seien weitere Maßnahmen erforderlich, so Wagner. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer generellen FFP2-Maskenpflicht in geschlossenen Räumen, größerem Abstand, nämlich auf zwei Meter, und von regelmäßigem Testen der gesamten Bevölkerung.

Auch Andreas Bergthaler vom Research Center for Molecular Medicine spricht angesichts der britischen um rund 50 Prozent ansteckenderen Coronavirusvariante von einer „neuen Situation" und einer „Herausforderung“, vor der ganz Europa stehe und nicht nur Österreich. Man habe die Mutation bereits in mehreren Nachbarländern beobachtet, so seien in der Slowakei rund 50 Prozent und in der Schweiz bereits 6 Prozent der Neuinfektionen auf die britische Variante zuzuordnen.

Virus-Mutante in Österreich

Die genauen Prozentzahlen für Österreich sind noch nicht bekannt. Aber daran, dass die Virus-Varianten auch für Österreich zum Problem werden, konnte man am Wochenende nicht mehr zweifeln. In der Steiermark wurde bereits in drei Verdachtsfällen offiziell die Infektion mit der britischen Mutation bestätigt. Alarmierend fiel auch eine Untersuchung der MedUni Wien aus: Erste Ergebnisse einer Stichprobe von 83 positiven PCR-Tests wiesen in 14 Fällen die mutierte Variante auf. Das waren 17 Prozent - und bestätigte die Befürchtung der Experten, dass neue Variante bereits recht weit fortgeschritten sein könnte.

Laut Bergthaler ist die neue Variante ein „Game-Changer“, er betont die große Dynamik und die verschiedenen Parameter, die sich derzeit stark verändern und die das Infektionsgeschehen beeinflussen. Es handle sich aber immer noch um ein Sars-Cov-2-Virus, die bisherigen Maßnahmen seien weiterhin wirksam. Auch er warnt vor weiteren Öffnungsschritten, da die Zahlen zu hoch seien.

„Mehr tun"

Auch der Mathematiker und Statistiker Erich Neuwirth appelliert an die Regierung, die Maßnahmen auf keinen Fall zu lockern. Nur so könne eine explosionsartige Ausbreitung verhindert werden. Im Gegenteil, eher „müssen wir mehr tun“. Auch er rät dazu, FFP2-Masken vorzuschreiben - „überall dort, wo Leute zusammentreffen“.

Auch warnt er davor, die Impfung als Lösung aller Probleme anzusehen. Denn bis die Impfung greife, bis sie merkbare Auswirkungen auf die Zahlen habe, dauere es noch. „Wir müssen trotz allem starke Maßnahmen setzen, um die Zahlen zu reduzieren und das Infektionsgeschehen zu beherrschen."

Am Vortag Gespräche mit Ländern

Dass mit Lockerungen angesichts der neuen Virusvariante wohl nicht mehr zu rechnen sei, ließ auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) nach einem Treffen der Länder mit dem Kanzler am Vortag durchklingen. Er rechne mit der Verlängerung des Lockdowns "bis weit in den Februar hinein". Die Regierung berät am Samstag nach ihrem Gespräch mit Experten noch mit den Sozialpartnern, am Sonntag ist die Entscheidung zu erwarten.

Nachdem zuletzt auch in Österreich immer mehr Verdachtsfälle der ansteckenderen britischen Virusvariante auftraten waren sich die Landeshauptleute und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in ihrer langen Unterredung Freitagabend einig, dass die Situation sehr angespannt sei. Für die von vielen erhofften Lockerungen sei das Risiko einer schnellen Ausbreitung der neuen Virusvariante zu groß, sagte Kaiser gegenüber der Austria Presseagentur.

Klarheit von Sozialpartnern und Opposition gefordert

Für den Vormittag war noch ein Gespräch mit den Sozialpartnern im Kanzleramt angesetzt. ÖGB-Chef Wolfgang Katzian forderte Klarheit - und äußerte sich skeptisch zur Homeoffice-Pflicht. IV-Präsident Georg Knill signalisierte Bereitschaft, eine Lockdown-Verlängerung mitzutragen, sofern die produzierende Industrie weiter aufrecht bleiben kann.

Klarheit und Transparenz verlangte am Samstag auch die Opposition. Türkis-Grün habe offenbar "leider immer noch keinen langfristigen Plan", übte SPÖ-Gesundheitssprecher Philipp Kucher Kritik am "Zick-Zack-Kurs" der Regierung. Es brauche klare Kriterien und auch einen klaren Zeitraum - "auch wenn das keine guten Nachrichten bedeutet", ist NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker überzeugt - und forderte angesichts der Virus-Mutation "impfen, impfen, impfen". FPÖ-Chef Norbert Hofer hält es "trotz aller Bedenken" der Experten - deren Stellungnahmen er "nicht bezweifle" - weiterhin für den besseren Weg, den Lockdwon rasch zu beenden und ein Wirtschaften und Arbeiten unter klaren Auflagen zu ermöglichen.

Im Laufe des Tages soll es dann eine weitere Videokonferenz mit den Landeshauptleuten geben, hieß es aus dem Kanzleramt. Mit der Verkündigung der Entscheidung über das weitere Vorgehen hinsichtlich des Lockdowns ist für Sonntagvormittag zu rechnen.

(APA/bsch)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.