Debatte um transsexuellen Lehrer: Wenn Rolemodels aus der Rolle fallen

Debatte transsexuellen Lehrer
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Der transsexuelle Pädagoge, der an einer Wiener HTL seine Kollegen und den Direktor per offenen Brief informierte, im neuen Schuljahr in Frauenkleidung zum Unterricht zu kommen, sorgt derzeit für heftige Debatten.

Wien. Noch vor zwei Monaten war er der „Herr Professor“ – jetzt, mit Schulanfang, ist er zur „Frau Professor“ geworden. Jener transsexuelle Pädagoge, der an der Wiener HTL Spengergasse seine Kollegen und den Direktor per offenen Brief informierte, im neuen Schuljahr in Frauenkleidung zum Unterricht zu kommen, sorgt derzeit für heftige Debatten.

Der Obmann des Elternvereins etwa ließ sich im „Kurier“ zur Aussage hinreißen, man sei hier „nicht in der Löwingerbühne“. Der Direktor wiederum habe Lehrer Walter S. – der nun als Andrea S. vor seiner Klasse steht – nach dessen Angaben mitgeteilt, er solle sich eine Auszeit nehmen. Und danach am besten gleich gar nicht mehr wieder kommen.

Warum aber sorgte die Ankündigung des Lehrers, künftig als Frau durchs Leben zu gehen, für derart heftige Reaktionen? Sind die Ängste der Eltern, ihre Kinder könnten mit der Situation überfordert sein, berechtigt? Und kann der Lehrer seiner Funktion als Role Model – als Vorbild –, die den Pädagogen gemeinhin zugeschrieben wird, weiter gerecht werden? Eine schwierige Situation sei es allemal, sagt Sabine Völkl-Kernstock von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH Wien. Transsexualität sei schließlich kein Phänomen, das den Jugendlichen laufend im Alltag begegne.

Sexualität im Brennpunkt

Und dennoch: Meist seien es vor allem die Eltern, die ihre eigenen Ängste und Unsicherheiten auf die Kinder projizieren, so Völkl-Kernstock. Zwar sei gerade das Thema Sexualität in der Adoleszenz – der Lehrer unterrichtet 14- bis 18-Jährige – „im Brennpunkt des Interesses. Jugendliche gehen mit den Themen Transsexualität oder Homosexualität aber meist wesentlich natürlicher um als Erwachsene.“

Gefordert sei nun das Schulsystem, sagt Völkl-Kernstock. Wichtig sei, mögliche Probleme „nicht auszublenden, die Veränderung nicht zu negieren“, sondern das Thema im Schulverband offen anzusprechen. Man dürfe nun „nicht hetzerisch diskutieren“, sondern müsse Aufklärungsunterricht unter kompetenter Leitung organisieren.

Auch der Pädagoge selbst müsse nun Professionalität an den Tag legen, sagt Völkl-Kernstock. Er solle nun „klare Grenzen“ zwischen seiner Funktion als Lehrer und seinem Privatleben ziehen – und den Schülern signalisieren, dass „seine Werte und sein Lebensweg nichts mit ihnen zu tun haben“.

In der HTL Spengergasse hat man sich – nachdem das Unterrichtsministerium zum klärenden Gespräch gebeten hat – mittlerweile geeinigt. Dass der Lehrer jedenfalls weiter unterrichten darf, hat das Ministerium von Anfang an außer Frage gestellt. Zu Schulbeginn soll es eine Informationsveranstaltung für Schüler und Lehrer geben; in den ersten Unterrichtsstunden der – nunmehr – Lehrerin soll zudem der Direktor stets anwesend sein und Fragen beantworten. Auch ein Servicetelefon ist eingerichtet worden. Der Elternverein hat mittlerweile keine Einwände mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2010)

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