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Ein Kriegsfilm, inszeniert wie ein blutiges Action-Videospiel

Outside the wire
Outside the wireJonathan Prime / Netflix
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Im Netflix-Film „Outside the Wire“ ballert sich Anthony Mackie als Robotersoldat durch diverse Missionen. Zockern dürfte da einiges bekannt vorkommen.

Anthony Mackie hat man schon lang eine Hauptrolle gewünscht, in der er sowohl seine herausragende Physikalität als auch sein an Lee Marvin gemahnendes Grantscherbn-Charisma voll ausspielen kann. Das breite Publikum kennt den 42-Jährigen als dritten Superhelden von links (oder rechts oder oben oder unten) aus diversen Marvel-Bombastfilmen und man versteht sofort, wieso er sich als Produzent hinter jenen Science-Fiction-Actionthriller geklemmt hat, der aktuell via Netflix zu sehen ist.

Im belanglos betitelten „Outside the Wire“ glänzt Mackie als gusseiserner und exzentrischer Captain der US-Armee, der sich gleich zu Filmbeginn als Android zu erkennen gibt: Er ist ein experimentelles Pilotprojekt, das bald in Serie gehen könnte. Anno 2036 ist der Krieg aber ohnehin bereits teilautomatisiert. Klumpige Roboterkämpfer werden bei gefährlichen Einsätzen vorgeschickt und Drohnenpiloten fernsteuern den Raketenabschuss vom Computerbildschirm aus. Einer von ihnen ist der junge, aufbrausende Harp (nett, frech: Damon Idris), der nach einer Befehlsverweigerung in ein osteuropäisches Krisengebiet strafversetzt wird und dort Mackies Captain Leo unterstellt ist. Die Truppen sollen den Konflikt zwischen der Ukraine und pro-russischen Terroristen befrieden.

Wer schon einmal ein zeitgenössisches Action-Videospiel gezockt hat, dem wird die dramaturgische Grobstruktur von „Outside the Wire“ sehr bekannt vorkommen. Von einer Basis aus bricht man zu Missionen mit diversen Schwierigkeitsgraden auf, die für gewöhnlich in einer Auseinandersetzung mit extensivem Waffeneinsatz kulminieren. Hat man als Spieler diesen Fähigkeitstest bestanden, werden zusätzliche Story-Brocken freigeschalten, die einen tiefer in die Erzählung hineinführen. „Outside the Wire“-Autor Rob Yescombe hat bisher tatsächlich vor allem Szenarien für actionlastige Games wie das Tom Clancy-Agentenabenteuer „The Division“ entworfen und das merkt man seinem ersten Spielfilmstoff stark an.

Der Terrorist als Endgegner

Auch die groß angelegten Action-Schaustücke wirken videospielartig inszeniert, etwa wenn eine Straßenblockade zwischen kaputt geschossenen Plattenbauten in ein minutenlanges Gefecht mündet oder als die Terroristen Atomraketen-Codes aus einer zerbombten Bank stehlen wollen. Deren Anführer Victor Koval ist übrigens auch klassischer Endgegner: Bis zur Konfrontation, die Mann gegen Mann in einem Arena-artigen Setting ausgetragen wird, erfährt man nichts über seine Motive, wird man nur von Legenden über ihn aufgestachelt, eilt ihm der Ruf eines Monsters voraus. Inszeniert wurde „Outside the Wire“ vom schwedisch-stämmigen Mikael Håfström, der diesen B-Filmstoff mit all den Magenhaken und Blutspritzern eines ordentlichen Genre-Reißers anreichert, dem missglückten Drehbuch aber insgesamt zu wenig filmemacherisches Talent entgegenzusetzen hat.

Besonders ärgerlich sind im Übrigen die wie Zuckerstreuseln auf einer Torte quer über die Erzählung gesprenkelten Gedankenfetzen hinsichtlich totaler Kriegsautomatisierung in einem Film, der sich sonst unverschämt an von Robotersoldaten zerschossenen und zersprengten Menschenkörpern aufgeilt – ganz davon zu schweigen, dass diese vermeintlichen Einsichten aus Science-Fiction-Schlüsseltexten des 20. Jahrhunderts von Isaac Asimov bis zum „Terminator“ zusammengefladert worden sind.

Vergessenswerte Unterhaltungsware

„Outside the Wire“ ist so kurzweilige wie vergessenswerte Unterhaltungsware mit netten Effekten, die aber so maschinengefertigt daherkommt, als wäre sie vom Netflix-Algorithmus erträumt worden. Bleibt zu hoffen, dass dem lässigen Anthony Mackie alsbald nicht nur eine feiste Hauptrolle vergönnt ist, sondern auch ein guter Film drumherum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2021)

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