Gastkommentar

Österreichs Ökostrom-Wintermärchen

APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Im Winter und den Rändern von Herbst und Frühjahr schwächelt die Stromerzeugung aus „guten" Quellen wie Wasser und Sonne. Das gleichen wir mit Importen auch von Kohle- und Atomstrom aus. Aber darüber redet man nicht. Bei uns gibt's schließlich Ökostrom.

„Dunkelflaute" nennt man in der Fachsprache des Ökostromzeitalters jene Zeiträume im Jahr, in denen die Sonne nicht bzw. nur reduziert scheint und der Wind höchstens als schwaches Lüfterl weht. Genau davon, also von der Dunkelflaute, hat Österreich seit längerer Zeit mehr als genug. Und nicht nur das: Auch die heimische Wasserkraft lässt kräftig zu wünschen übrig.

Die Solarenergie fällt realistisch betrachtet in den Wintermonaten und den jahreszeitlichen Rändern von Herbst und Frühling sowieso nicht sehr ins Gewicht. Die rund 1,3 Gigawatt der in Österreich installierten Solarzellenflächen haben praktisch Winterurlaub. Das weiß man aber vorher.

Viel mehr weh tut da allerdings, wenn auch der Wind auslässt. Die heimischen Windräder mit ihren mehr als 3,1 Gigawatt Gesamtleistung haben beispielsweise nur an etwa 10 Dezembertagen maßgeblich dafür gesorgt, dass Strom aus der Steckdose fließt. Und der Jänner lief nicht besser. Die meiste Zeit war die Windkraft zuletzt schwach bis nicht vorhanden.

Clemens Fabry

Und auch beim Europäischen Beinahe-Blackout (Total-Stromausfall) am 8. Jänner spielte der Wind eine Rolle: Beim Windkraft-Champion Deutschland war nämlich die Erzeugungsleistung der erneuerbaren Energie in den vier Stunden vor dem massiven Abfall der Netzfrequenz (siehe unten im PPS) um ganze 7,8 Gigawatt gesunken. Das entspricht dem durchschnittlichen Gesamtbedarf Österreichs.

Am schmerzlichsten jedoch ist der geringe Niederschlag seit November. Und auch der Dezember und bisherige Jänner lief diesbezüglich nicht besser. Die Laufkraftwerke Österreichs – mit möglichen acht Gigawatt Spitzenleistung steht und fällt mit ihnen die heimische Ökostrombilanz – lieferten entsprechend wenig Strom. Im Minimum kaum ein Viertel, im Maximum nicht einmal die Hälfte der Maximalleistung konnten die Turbinen in den Staumauern erzeugen.

Bis zu einem Drittel Importe - meist aus „bösen" Quellen

Was bleibt somit, um das Stromnetz zu befüllen, und damit in Folge etwa alle Computer, Smartphones, Leuchtkörper, Industriemaschinen, Eisenbahnen, „grüne" E-Autos und Haushaltsgeräte mit Elektroanteilen zu betreiben? Der Import. Bis auf wenige Tage ist Österreich seit November Netto-Stromimporteur. Teilweise bis zu einem Drittel des Strombedarfs muss aus ausländischen Quellen gedeckt werden, vor allem aus Deutschland, Tschechien, Ungarn und Slowenien. In Summe bis zu drei Gigawatt Leistung flossen über die Grenzen zu uns.

Und das kam hauptsächlich aus Kohle- und Atomkraftwerken.

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Natürlich finden wir davon nichts auf unseren Stromrechnungen. Denn Österreich betreibt inzwischen kein Kohlekraftwerkmehr. Jenes in Mellach südlich von Graz wurde im April 2020 geschlossen und beendete laut Verbund die „Ära der Kohlestromversorgung in Österreich". Und bekanntlich ist Österreich per Verfassungsgesetz ja auch „atomfrei".

Und damit das Gewissen nicht leidet, wird der böse importierte „Graustrom" mit dem Ankauf von Ökostromzertifikaten bemantelt, bevor er getarnt auf unserer Stromrechnung landet. Somit gehört auf dem Papier der Ökostrom von sonstwo und irgendwann uns - und der „Graustrom" jenen, die keine Zertifikate dafür kaufen.

Dem physikalischen Stromfluss im Netz ist das allerdings egal. Auch Österreich lebt letztlich mit Atomstrom.

ZUM AUTOR

Martin Rosenkranz ist Fachmann für Luftfahrt-, Militär- und Technologiethemen und war Chefredakteur von www.airpower.at. 

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PS: Der bisher letzte Tag, da Österreich einen Stromüberschuss erzeugte, war (Stand 28. Jänner) der 8. Dezember. Seither werden etwa 30 bis 70 Gigawattstunden Energie am Tag importiert. Zum Vergleich: Das tschechische AKW Temelín erzeugt rund 48 GWh pro Tag.

PPS: Ein interessanter Tag war der besagte 8. Jänner, der Tag des Beinahs-Crashs im Netz: Um 10 Uhr produziert damals Deutschland in Summe 81,2 Gigawatt und exportiert davon 8,5 GW. Österreich produziert 7,2 GW und importiert 2,5 GW. Um 14 Uhr war die deutsche Stromerzeugung dann runter auf 75,3, und für den Export waren nur noch 4,7 übrig - binnen vier Stunden sind also die "Erneuerbaren" von 32,4 auf 24,6 Gigawatt Energieoutput gesunken. Den Einbruch glich man zeitgleich nur teilweise aus, indem 1 GW von der Steinkohle und 0,5 vom Erdgas ins Netz gepumpt wurden.

Österreich hat damals um 14h 6,4 GW produziert und 2,8 importiert.

PPPS: Um im Winter auf 100 Prozent Ökostrom zu kommen, fehlen uns die Hälfte bis 2/3 an Kraftwerks-Kapazität.

Email: debatte@diepresse.com

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