Corona

Regierung über Bürgermeister als „Impf-Drängler“ empört

Weiteres Impfzentrum in Brandenburg
Weiteres Impfzentrum in Brandenburgdpa-Zentralbild/Patrick Pleul
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Bundesländer passen ihre Richtlinien an: Nur Angehörige von Risikogruppen sollen vorerst eine Impfung erhalten.

Wien. Am Mittwoch wurden weitere Fälle von Bürgermeistern bekannt, die in Pflegeheimen geimpft wurden, obwohl sie nicht zur Risikogruppe gehören. So haben in der Steiermark Alexander Allmer, Ortschef von Stubenberg, und Karl Wratschko aus Gamlitz ebenso eine Impfung bekommen wie ihre Amtskollegin aus Rankweil in Vorarlberg, Katharina Wöss-Krall (alle ÖVP). Diese Impfungen entgegen den vom Gesundheitsministerium vorgegebenen Prioritätenreihungen sorgen nun auch für heftige Kritik aus der Bundesregierung.

Es sei „moralisch enttäuschend“, wenn sich jemand vordränge, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) bezeichnete das Vorgehen der „Drängler“ als empörend und nicht hinnehmbar. Die Landeshauptleute müssten durchgreifen und das abstellen. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) stellte Rücktritte in den Raum: „Jeder sollte selbst wissen, was er in so einer Situation zu tun hat.“

Faire Verteilung

Einige Länder kündigten tatsächlich Maßnahmen für eine „faire Impfstoffverteilung“ an, wie das die Vorarlberger Landesrätin Martina Rüscher (ÖVP) formulierte. Man wolle unterbinden, dass Personen geimpft werden, die nicht der Phase 1 des nationalen Impfplans zuzuordnen seien. So werden die Pflegeheime den Impfstoff nicht mehr selbst bestellen können, das sei nun Aufgabe des Impfkoordinators des Landes. Außerdem bekommen Angehörige der Zielgruppe 1 einen speziellen Priorisierungcode, der für die Einladung zur Impfung notwendig ist.

Prinzip Zufall

Auch in Wien gibt es Vorwürfe, dass falsche Personengruppen geimpft worden seien. Da wurden nun „unmissverständliche Vorgaben an alle Impfteams“ ausgearbeitet, wie mit übrig gebliebenen Dosen umzugehen ist. Impfdosen dürfen nur an die festgelegten Zielgruppen vergeben werden. Impfteams, die sich nicht an die Vorgaben halten, werden nicht mehr eingesetzt. Wien fragt bei der Anmeldung für die Impfung ab, wer innerhalb von zwei Stunden zu einer Impfung kommen kann. Auch aus dieser Personengruppe können Ersatzlisten gebildet werden. Und was passiert, wenn es da mehr Interessenten als verfügbare Dosen gibt? Dann werde nach dem Zufallsprinzip entschieden, so ein Sprecher von Stadtrat Peter Hacker.

Während es auf der einen Seite eine große Nachfrage nach der Impfung gibt, melden sich auf der anderen Seite Skeptiker zu Wort. So sorgt der Auftritt der Jennersdorfer Amtsärztin bei einer Corona-Demo für Aufregung: Die Medizinerin hatte dort empfohlen, sich nicht impfen zu lassen, worauf die Grünen eine Abberufung der Amtsärztin forderten. Diese müsse ja die Impfstrategie des Landes umsetzen und sei daher für diese Funktion ungeeignet, so die grüne Klubchefin, Regina Petrik.

In der Steiermark sorgt ein schon etwas älteres Mail von Kages-Chef Karlheinz Tscheliessnigg für Diskussionen im Landtag. Die Grünen forderten seine Abberufung, weil er vor der „Light speed“-Impfung gewarnt hatte, was Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) aber ablehnte.

Zusätzlicher Impfstoff

Beschleunigt werden könnten die Impfungen durch den zusätzlichen Impfstoff, den Österreich bei Biontech/Pfizer bestellt hat. Die Regierung nimmt den vollen Anteil aus dem zweiten Vorkaufvertrag der Europäischen Kommission mit dem Pharmakonzern in Anspruch, womit 3,8 Millionen Dosen zusätzlich zur Verfügung stehen. Ein großer Teil dieser Menge wird „im zweiten und dritten Quartal“ geliefert, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Damit können 1,9 Millionen Personen geimpft werden.(maf)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2021)

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