Rot-Schwarz schickt ORF zum Crashtest

Der Zusammenstoß ist unvermeidlich.

Und es sind keine Dummys, die da hinterm Lenkrad festgeschnallt sind – deren Blessuren könnten nachher mit Schraubenzieher und Superkleber relativ einfach wieder behoben werden.

Das Vehikel? Der ORF. Am Fahrersitz? Nicht nur ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, sondern gleich die gesamte Mannschaft des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Hörfunks. Das Szenario: Die politischen Entscheidungsträger lassen den Wagen im Crashtest mit Höchstgeschwindigkeit gegen ein Hindernis prallen. Die Schäden sind abzusehen, wenn am Donnerstag über den neuen Hörfunk-Direktor abgestimmt wird. Das Verhältnis zwischen SPÖ und ÖVP könnte in Sachen ORF endgültig auf eine Havarie zusteuern, deren Folgen noch bei der nächsten Generaldirektoren-Wahl zu spüren wären.

Die Neubestellung, über die vom Stiftungsrat am Donnerstag abgestimmt wird, ist zwischen SPÖ und ÖVP höchst umstritten. Während die SPÖ so bald wie möglich TV-Chefredakteur Karl Amon als Hörfunk-Direktor haben will, hat die ÖVP ihren „Freundeskreis“ darauf eingeschworen, dem auf keinen Fall zuzustimmen. Die ÖVP ist vielmehr der Meinung, ORF-General Alexander Wrabetz könnte (wie schon während des Krankenstands des bisherigen Hörfunk-Direktors Willy Mitsche) die Agenden interimistisch weiterführen, bis die ORF-Generaldirektorenwahl im kommenden Sommer geschlagen ist. Dann nämlich ist damit zu rechnen, dass – wie im Gesetz vorgesehen – nur mehr vier Direktoren bestellt werden, die Radio-Direktion mit Online fusioniert und somit organisatorisch einiges anders wird. Wieso also jetzt noch einen Direktor bestellen, was auch einiges kostet, so die bürgerliche Argumentationslinie.


Die SPÖ will nun den Stiftungsräten vorrechnen, dass die Rochade kostenneutral sei – obwohl Mitsche einen hoch dotierten Beraterposten bekommt, den es bisher im ORF nicht gab. Im ORF heißt es sogar, man könne sich bei einer internen Nachbesetzung von Amons derzeitigem Posten (er ist TV-Chefredakteur) sogar Geld sparen, wenn der dadurch in der TV-Information frei werdende Job nicht nachbesetzt wird. Am Montag wollte die SPÖ die Räte im Finanzausschuss davon überzeugen. Die SPÖ bleibt dabei: Der ORF brauche einen Radio-Direktor – unter anderem, um geplante Strukturänderungen im Hörfunk vorzubereiten.

Aber muss es unbedingt ein Kandidat sein, den nur die SPÖ will – wie es bei Amon der Fall ist? Wenn es der Politik nur um die Sache ginge, hätte man wohl auch einen Kompromisskandidaten finden können – und die Unterstützung der ÖVP gehabt. Amon aber wird von der ÖVP als zu SPÖ-nah vehement abgelehnt. Franz Medwenitsch, der Leiter des ÖVP-„Freundeskreises“, warnt bereits vor einer Spaltung des Stiftungsrats. Die SPÖ steuert mit Amon auf ein knappes Votum zu – und der ORF bleibt auf Kollisionskurs.


isabella.wallnoefer@diepresse.com

SPÖ und ÖVP steuern auf eine Havarie zu, deren Folgen bis zur ORF-Wahl zu spüren wären.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2010)

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