ÖVP-Finanzstaatssekretär Lopatka kritisiert die "zu hohen Gehälter" der Bundesbahnen und fordert eine Anpassung. Die SPÖ schäumt: „ÖBB-Bashing“ schade dem Unternehmen, der Wirtschaft und dem Steuerzahler.
wien (APA/red.). Der „Pakt“ hielt nicht einmal eine Woche. Geschlossen wurde er zwischen den Regierungsparteien am vergangenen Dienstag, vor dem Ministerrat: Damit der („schwarze“) Stromkonzern-Verbund seine Kapitalerhöhung durchführen darf, gab es von der Koalition ein „Bekenntnis“ zu allen Staatsbetrieben. Und SPÖ-Infrastrukturminister Doris Bures, die die Kapitalerhöhung wochenlang blockiert hatte, frohlockte: Die ÖVP werde nun ihre „schwachsinnige Kampagne gegen die ÖBB stoppen“.
Gemeint waren fast wöchentliche kritische Wortmeldungen von ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka in Richtung ÖBB. Sollte der „Pakt“ tatsächlich so gemeint gewesen sein – seit gestern ist er jedenfalls Makulatur: Da äußerte sich Lopatka zu den gestoppten Lohnverhandlungen in den ÖBB, die auch dazu führen werden, dass der ÖBB-Betriebsrat zwischen 20. und 30. September „Informationsveranstaltungen“ für die Belegschaft abhalten wird – ohne den Bahnbetrieb zu beeinträchtigen, wie es heißt. Lopatka: „Die Gewerkschaft der Bundesbahnen zeigt keine Reformbereitschaft.“ Deren Forderung nach einer Abgeltung der Inflation sei als „null Beitrag“ zum Staatshaushalt zu werten.
Nulllohnrunde gefordert
Und weiter: Der neue ÖBB-Chef Christian Kern sei zwar seit mehr als 100 Tagen im Amt, habe jedoch bisher keine Vorgehensweise bezüglich der „zu hohen Gehälter und Pensionen“ präsentiert. Nun sei es aber an der Zeit, die „überdurchschnittlichen Gehälter“ bei den ÖBB anzupassen. Im Regierungsübereinkommen sei eine „Steigerung der Produktivität“ vereinbart, „davon sehe ich aber nichts“, so Lopatka. Zur Deckung des hohen Budgetdefizits brauche der Staat Beiträge „von allen Gruppen, auch von der großen Gruppe der ÖBB-Mitarbeiter“.
„In mittlerweile 22 EU-Staaten“ gebe es Nulllohnrunden, auch in Österreich müsse man diesbezüglich „endlich Einsicht zeigen“. Eine Nulllohnrunde bei den Beamten werde es nur geben, wenn diese auch für die ÖBB-Mitarbeiter zum Tragen komme.
Die Antwort auf Lopatkas Kritik folgte sogleich – allerdings kam sie nicht von den ÖBB, sondern aus der SPÖ-Parteizentrale: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter wies die „neuerlichen verbissenen Angriffe“ Lopatkas zurück und forderte ÖVP-Finanzminister Josef Pröll auf, „endlich das gezielte und systematische Schlechtmachen des ÖBB-Konzerns durch seinen Staatssekretär abzustellen“. Das „ÖBB-Bashing“ schade dem Unternehmen, der Wirtschaft und damit letztlich dem Steuerzahler. Meinung, Seite 27
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2010)