Lieferprobleme: Impfstrategie wackelt

Corona. AstraZeneca dürfte im ersten Quartal deutlich weniger liefern, als eigentlich vereinbart. Gleichzeitig steigt die Impfbereitschaft, Minister Anschober sieht eine Trendwende.

Wien. Die über 65-Jährigen und das medizinische Personal im ersten Quartal durchimpfen, die restliche Bevölkerung zu einem großen Teil im zweiten Quartal: Dieser Plan zur Bekämpfung der Coronapandemie wackelt bedenklich – zumindest was den ersten Teil betrifft. Denn am Freitag sollen die Impfkoordinatoren der Bundesländer darüber informiert worden sein, dass AstraZeneca deutlich weniger Impfstoff liefern wird, als bisher geplant. Statt zwei Millionen Impfdosen sollen es im ersten Quartal nur 600.000 sein.

AstraZeneca ist noch gar nicht zugelassen, eine Entscheidung der EU-Behörden ist für 29. Jänner, also Freitag kommender Woche, angekündigt. Und es ist auch noch nicht klar, ob AstraZeneca die volle Zulassung bekommen wird, oder nur eine für die Bevölkerungsgruppe bis 55 Jahre. Aber: Bisher waren große Hoffnungen auf den britischen Impfstoff gerichtet worden. Erstens, weil er logistisch einfacher zu behandeln ist als die Impfstoffe von Biontech und Moderna und auch in Arztpraxen verimpft werden kann. Und zweitens, weil er rasch in großen Mengen zur Verfügung stehen sollte.

Langsames Verfahren schuld?

Letzteres könnte sich nun als Trugschluss erweisen. Angeblicher Grund für die Lieferkürzungen: Das langsame Zulassungsverfahren in der Europäischen Union. Aus diesem Grund werde der Impfstoff vorerst anderswohin geliefert. Wobei: So langsam ist das Zulassungsverfahren gar nicht, AstraZeneca hat erst im Jänner um eine Zulassung in der EU angesucht, das Verfahren wäre also innerhalb eines Monats abgeschlossen.

Kommt es tatsächlich zu der nun avisierten Lieferkürzung, wäre der Zeitplan für die Impfung in Österreich nicht aufrechtzuerhalten. Bisher waren an Liefermengen im ersten Quartal geplant: 1,1 Millionen Dosen von Biontech, 200.000 Dosen des Moderna-Impfstoffs sowie eben zwei Millionen Dosen von AstraZeneca. Da jede Impfung aus zwei Dosen besteht, verabreicht mit einem mehrwöchigen Abstand, könnte man damit mehr als 1,6 Millionen Österreicher impfen, das entspricht in etwa der Gruppe der über 65-Jährigen. Wenn AstraZeneca tatsächlich weniger liefert, sind es nur noch 900.000. Im zweiten Quartal stünden dann acht Millionen Dosen, also Impfstoff für vier Millionen Österreicher zur Verfügung.

Dabei steigt die Impfbereitschaft der Österreicher gerade merkbar an, wie Gesundheitsminister Rudolf Anschober Freitagvormittag, noch vor Bekanntwerden der Pläne von AstraZeneca, feststellte. 162.000 Impfungen seien bisher verabreicht worden, in der vergangenen Woche sei eine „Stimmungswende“ eingetreten. In den Pflegeheimen gebe es eine Beteiligung von 70 bis 80 Prozent, die sogar noch im Steigen sei: Etliche Pflegeheime würden einen zusätzlichen Impftermin einschieben, weil sich Bewohner und Personal doch noch für eine Impfung entschieden haben.

Wie sehr die Impfbereitschaft gestiegen ist, sieht man auch an der Diskussion über „Vordrängler“, also Personen, die eine Impfung bekommen haben, obwohl sie eigentlich noch nicht an der Reihe wären. Auch am Freitag gab es neuerliche Meldungen dazu, hauptsächlich über Bürgermeister, die in ihrer Funktion als Eigentümervertreter von Seniorenheimen geimpft wurden. Das Land Vorarlberg kündigte nun Kontrollen an: Ein eigener „Impfaufpasser“ wird alle Impfaktionen in Seniorenheimen kontrollieren. Und die Bürgermeister bekommen vorerst keine zweite Impfdosis. Auch andere Bundesländer haben verstärkte Kontrollen angekündigt. Anschober erklärte dazu, dass Bürgermeister nicht kraft ihres Amtes Anrecht auf eine Impfung hätten, wohl aber, wenn sie beispielsweise als Freiwillige in einem Pflegeheim mithelfen würden.

Kindergärten wollen Vorrang

Anspruch auf eine rasche Impfung erhebt auch das Personal in den Kindergärten. Es fehle an einheitlichen Regelungen und einem Sicherheitskonzept für die Kindergärten. Und die Betreuerinnen müssten prioritär geimpft werden, so die Forderungen auf einer von der Gewerkschaft organisierten Demonstration.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2021)

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