Landflucht

Der Drang in die Vorstädte zeigt sich auch bei den Villen

Die gehobene Klientel entdeckt zunehmend das Umland der Städte – national wie international. Im Bild: Siedlungshäuser in Großbritannien.
Die gehobene Klientel entdeckt zunehmend das Umland der Städte – national wie international. Im Bild: Siedlungshäuser in Großbritannien.Pixabay
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Die „Suburbanisierung“ ist nicht nur in Österreich weiter im Aufwind. In Deutschland und Großbritannien beobachten Experten eine „Revitalisierung ländlicher Regionen“.

Der neue Trend zur Landflucht wurde bereits ausgerufen, als ganz Österreich noch mehr oder weniger geschockt im ersten Lockdown ausharrte. Während kleinere Budgets die Eigenheimbesitzer vor ein Entweder-oder stellen, lautet die Frage im Premiumsegment eher „Wo noch?“. Die Antworten darauf lassen sich aus den Zahlen ablesen, die Luxusmakler national und international Ende des vergangenen Jahres erhoben haben.

Durch Corona bestärkt

Dabei ist der Trend, der nach dem englischen Wort für die Vorstadt „Suburbanisierung“ heißt, nicht erst während der Coronakrise entstanden. Allerdings hat sie ihn weiter bestärkt, wie eine Analyse des weltweit operierenden Luxusmaklers Engel & Völkers aufzeigt. Das Unternehmen mit Stammsitz in Hamburg hat dafür eine Marktanalyse für rund 700 Gemeinden in allen Landkreisen vorgenommen, die an die deutschen Top-Sieben-Städte Berlin, München, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf, Köln und Stuttgart angrenzen. Verglichen wurden dabei das erste bis dritte Quartal 2020 mit dem Vergleichszeitraum von 2015.

„In den vergangenen fünf Jahren sind die Immobilienpreise in den Umlandgemeinden zum Teil sogar stärker angestiegen als in den Großstädten“, fasst Kai Enders, Vorstandsmitglied der Engel & Völkers AG, zusammen. So seien 2015 bis 2020 die Angebotspreise der Umlandgemeinden im Durchschnitt um 57,8 Prozent gestiegen, die Angebotspreise in den Top-Sieben-Städten dagegen nur um 43,9 Prozent.

»"Anfang 2020 war ein viertes Schlafzimmer ein Luxus für die Käufer, inzwischen es ist ein Muss."«

Tim Bannister, Rightmove

Ein Trend, der sich laut Enders' Einschätzung auch nach Corona fortsetzen wird: „Wir werden langfristig eine Revitalisierung ländlicher Regionen erleben, die sich im Einzugsgebiet der Großstädte befinden. Diese Standorte bieten vor allem Familien und Berufstätigen mit flexiblen Arbeitsmodellen eine interessante Alternative. Das Preisniveau für Häuser und Villen in den Umlandregionen ist im Vergleich zu jenem der Top-Sieben-Standorte noch moderat und bietet Entwicklungspotenzial“, betont der Experte.

Blick nach Großbritannien

Eine Einschätzung, die die Luxuskäufer in Großbritannien offensichtlich teilen. Dort haben sich im November die Verkäufe von Immobilien, die mehr als 1,3 Millionen Pfund (1,43 Millionen Euro) kosten, verdoppelt, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Besonders gefragt sind nach einer Untersuchung des Immobilienportals Rightmove, auf das sich Bloomberg bezieht, dabei ländliche Regionen wie Norfolk, Whilt-shire und Cornwall. Auch für mehr Platz gibt man auf der Insel jetzt mehr Geld aus, wie Tim Bannister, bei Rightmove für Datenauswertungen verantwortlich, erklärt: „Anfang 2020 war ein viertes Schlafzimmer ein Luxus für die Käufer, inzwischen es ist ein Muss“, so der Experte, der den zusätzlichen Bedarf im Wunsch nach Home-Offices im Luxussegment verortet. Allerdings boomt der britische Immobilienmarkt derzeit ohnehin, was einerseits mit einem Rückstau durch den langen Lockdown zu tun hat, andererseits mit einer Steuersenkung für den Kauf von Immobilien.

Österreicher wollen aufs Land

Und in Österreich? Dort lässt sich die Sehnsucht nach dem Landleben – zumindest in Umfragen – ebenfalls bereits festmachen, wie eine repräsentative Befragung durch Raiffeisen-Immobilien im Dezember ausweist, der schon eine erste Untersuchung im April vorausgegangen war. Damals waren rund drei Viertel der Österreicher der Meinung, dass es sich während der Krise in einem ländlichen Gebiet besser leben lässt. 33 Prozent jener Städter, die das Landleben in der Krise für vorteilhafter hielten, überlegten damals, auf das Land zu ziehen, neun Prozent hatten bereits konkrete Pläne dafür. Der neuerliche Lockdown im Herbst hat nun laut den neuen Zahlen die Absicht, der Stadt den Rücken zu kehren, verstärkt: 41 Prozent gaben dabei an, aktuell mit diesem Gedanken zu spielen; zwölf Prozent haben konkrete Übersiedlungspläne.

Überdurchschnittlich stark gewachsen ist die Sehnsucht nach dem Landleben in Wien: Waren im ersten Lockdown „nur“ etwas mehr als die Hälfte der Hauptstädter (55 Prozent) von den Vorteilen des Ländlichen überzeugt, sind es mittlerweile knapp zwei Drittel (63 Prozent). Österreichweit ist die Zustimmung zur Frage, ob es sich in der Krise besser auf dem Land lebt, im Zeitvergleich von April und November hingegen nur um zwei Prozentpunkte von 76 auf 78 Prozent gestiegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2021)

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