Der »Toxic Avenger« ist der filmische Schlüsselmutant des vergangenen Jahrhunderts.
Film

Die Mutanten kommen, uns zu erlösen

Nicht alles, was mutiert, ist eine Bedrohung: Das zeigt uns das (Trash-)Kino, wo Kreaturen munter wachsen, schrumpfen, zerfallen und Superkräfte entwickeln. Eine kleine Geschichte des Mutantenfilms.

Wir sind alle Mutanten. Jeder Mensch weist laut Wissenschaft Hunderte genetische Abweichungen auf, wovon allerdings nur wenige bemerkt werden und noch weniger klinisch relevant sind. Wie häufig, beiläufig und zufällig natürliche Mutationen vorkommen, das kann man aktuell am Coronavirus beobachten. Der Mensch an sich, der sich gern als evolutionären Endpunkt der Schöpfungskrone begreift, hat mit der Vorstellung von kontinuierlich veränderlicher organischer Materie, seiner eigenen und der um ihn herum, wenig überraschend größte Schwierigkeiten.

Dass Mutanten in Kunst und Kultur zumeist als albtraumhaft und grauenerregend dargestellt werden, erscheint in dieser Hinsicht als nachvollziehbare Abwehrhaltung. Was Mensch nicht versteht, markiert er als abartig, monströs und potenziell gefährlich. Ein Blick in die Filmgeschichte zeigt allerdings, dass die Figur des Mutanten deutlich vielschichtiger ist. Er ist Erlöser und Zerstörer, Freund und Feind, Warnsignal und Zukunftshoffnung, immer auch ein Ergebnis menschlicher Hybris und jedenfalls grelle Erinnerung daran, wie schnell der sakrosankte Menschenkörper außer Form geraten kann.


Beulen und Pusteln. Der filmische Schlüsselmutant des 20. Jahrhunderts ist der „Toxic Avenger“: Im gleichnamigen Mittachtzigerjahre-Film des so legendären wie genialen Trash-Studios Troma stürzt ein schlaksiger Außenseiter auf der Flucht vor seinen Peinigern in ein Fass radioaktiven Giftmülls und mutiert daraufhin zum monströsen Superhelden. Als „Toxie“, wie er liebevoll genannt wird, macht er in seiner Heimatstadt Kleinkriminellen und Ungustln aller Art den Garaus. In seiner grotesken, grünbraunen, mit Beulen und Pusteln übersäten Gestalt fließen drei wesentliche inhaltliche Säulen der Mutantenfantastik ineinander: Die Angst vor den Auswirkungen ungebremsten menschlichen Fortschrittsdenkens, die sich nicht nur, aber besonders deutlich im Kino des Atom(angst)-Zeitalters in den Fünfziger- und Sechzigerjahren abgedrückt hat. Die fantastisch sich erweiternden, mutierenden, auseinanderfallenden Körper der Body-Horror-Filme der Siebziger und Achtziger. Und natürlich der popkulturelle Zentralmythos vom Mutanten als Superhelden, der kraft seiner neuen Fähigkeiten die Welt vom Bösen befreit.

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