Analyse

Die zwei Seiten der Pinken in der Pandemie

Wieder Teil des „nationalen Schulterschlusses“: Neos-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger.
Wieder Teil des „nationalen Schulterschlusses“: Neos-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger.Die Presse/Clemens Fabry
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Zwischen Schulterschluss und Dauerbeschuss: Die Kritik der Neos an der Bundesregierung fiel in den vergangenen Monaten teils heftig aus. Nun aber sind sie wieder Teil des „nationalen Schulterschlusses“. Worauf baut die pinke Taktik auf – und wohin soll sie führen?

Einen Zickzackkurs scheinen in Pandemien nicht nur die Infektionszahlen hinzulegen. Durch die krisenbedingte Medienpräsenz der Bundesregierung in der Dauerdefensive kämpft die Opposition seit rund zehn Monaten permanent um Aufmerksamkeit. Um diese zu erlangen, wechseln die Neos unter Partei- und Klubchefin Beate Meinl-Reisinger seither immer wieder zwischen nationalem Schulterschluss und rhetorischem Dauerbeschuss.

So zerpflückte das Team um die rhetorisch starke Führungsfigur spätestens seit dem Spätsommer pausenlos die türkis-grüne Coronapolitik mit teils angriffiger Polemik. Insbesondere wenn es um pinke Kernthemen wie Bildung, Unternehmen oder Transparenz ging, war der „nationale Schulterschluss“ aus dem Frühjahr schnell vergessen. „Geschlossene“ Schulen, schleppende Wirtschaftshilfen, verfassungswidrige Verordnungen sowie eine „unverständliche Kommunikation“ seien dafür Anlass gewesen, sagt Neos-Generalsekretär Nikola Donig im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Dem von der Opposition „gewährten Vertrauensvorschuss“ sei die Regierung „leider zu so gut wie zu keinem Zeitpunkt gerecht geworden. Weder im Stil noch im Inhalt eines professionellen Krisenmanagements.“

Chronologie einer Eskalation. Im März 2020 noch auf einer Linie mit der Regierung, inszenierten SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Meinl-Reisinger Ende Oktober ihren über den Sommer aufgestauten oppositionellen Unmut in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Zum vorzeitigen Höhepunkt der politischen Eskalation kam es Mitte Dezember, als die Pinken mit der FPÖ der Regierung im Parlament gar das Misstrauen aussprachen. Noch vor zwei Wochen war der grüne Gesundheitsminister, Rudolf Anschober, in den Augen von Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker rücktrittsreif: „Der Minister gehört weg“, sagte er am 7. Jänner. Anschober sei die „personifizierte Pannenserie“. ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior zeigte sich ob des Misstrauensantrags „fassungslos“, der stellvertretende Neos-Klubchef, Nikolaus Scherak, rechtfertigte Loackers Sager mit dem „Zickzackkurs“ der Regierung. Einen solchen werfen Kritiker den Neos aber mittlerweile selbst vor: Seit Krisenbeginn würden sie zwischen konstruktiver Staatsräson und Fundamentalopposition schwanken, die Regierung teils aus populistischem Kalkül („Öffnet die Schulen!“) attackieren. Am vergangenen Wochenende stellte sich die Neos-Linie tatsächlich erneut auf den Kopf: Mit der SPÖ wurde man, trotz wochenlanger Kritik, angesichts der Virusmutante B.1.1.7 Teil einer Neuauflage des „Schulterschlusses“.

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