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Impfstoff-Ärger: Brüssel macht Druck auf AstraZeneca-Chef

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Die angekündigten Liefereinschnitte bei AstraZeneca bereiten Politikern Kopfzerbrechen. Kommissionschefin von der Leyen telefonierte deshalb mit dem Konzernchef. Und Italiens Impfkommissar verglich davor die Rolle der EU mit der eines Bettlers.

Die EU-Kommission fordert vom Hersteller AstraZeneca die Lieferung der vertraglich vereinbarten Mengen an Corona-Impfstoff ohne Abstriche und ohne Verzug. Dies habe Präsidentin Ursula von der Leyen am Montag in einem Telefonat mit Firmenchef Pascal Soriot bekräftigt, erklärte die Kommission in Brüssel. Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides habe zudem in einem Brief Klarstellungen von dem Pharmakonzern gefordert und an Vertragspflichten erinnert.

Der britisch-schwedische Konzern hatte am Freitag mitgeteilt, nach der für diese Woche erwarteten Zulassung zunächst weniger Impfstoff als geplant an die EU liefern zu wollen. Statt 80 Millionen Impfstoffdosen sollen bis Ende März nur 31 Millionen eingeplant sein. Die EU-Kommission ist darüber verärgert und forderte bei einer internen Sitzung Montagmittag Erklärungen von AstraZeneca.

Die EU-Kommission hatte im August mit der Firma einen Vertrag über bis zu 400 Millionen Imfstoffdosen geschlossen und nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag dafür bezahlt, die Produktion schon vor der EU-Zulassung hochzufahren. Nach Darstellung der EU-Kommission hätte der Konzern laut Vertrag bereits seit der verbindlichen Bestellung Ende Oktober Mengen für die EU auf Halde fertigen müssen. Den Hinweis der Firma auf Produktionsprobleme bei einem Zulieferer in Belgien hält die Kommission für nicht stichhaltig.

„Wir erwarten von der Firma, Lösungen zu finden"

Ein Kommissionssprecher sagte, von der Leyen habe Soriot
mitgeteilt: "Wir erwarten von der Firma, Lösungen zu finden und alle möglichen Spielräume auszunutzen, um schnell zu liefern." Er wollte nicht sagen, wie der Unternehmenschef reagiert hat.

EU-Ratsschef Charles Michel erhöhte ebenfalls den Druck auf Astrazeneca und stellte mögliche rechtliche Konsequenzen in den Raum. "Wir erwarten, dass die von den Pharmaunternehmen bestätigten Verträge eingehalten werden", sagte Michel am Sonntag. Um die Einhaltung der Verträge zu gewährleisten, könne die EU auch "juristische Mittel" nutzen.

>> Astrazeneca-Impfstoff: Wo liegt das Problem? [premium]

Im September wurde die Testung des Impfstoffs, der von der Universität Oxford in Kooperation mit dem Pharmakonzern Astrazeneca entwickelt wurde, wegen schwerwiegender Nebenwirkungen bei einem Patienten (routinemäßig) ausgesetzt. Später machte der Impfstoff mit einer verhältnismäßig geringen Wirkungsamkeit Schlagzeilen. Trotzdem setzt die EU stark auf den europäischen Impfstoff. Weil er billig ist und im Kühlschrank gelagert werden kann. Auch in der österreichischen Impfstrategie spielt der Impfstoff eine wichtige Rolle, doch im ersten Quartal dürften weniger Dosen als ursprünglich kalkuiert eintreffen. Zugelassen ist der Impfstoff dabei noch nicht. Warum? Und wieso bereitet dieser Impfstoff solche Probleme?

Die Zulassung des AstraZeneca-Vakzins in der EU soll noch diese Woche erfolgen. Das gab Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Montag bekannt. Nach Angaben aus der EU-Kommission soll es nun an diesem Montag ein weiteres Treffen des Lenkungsausschusses zur EU-Impfstrategie zu den Verzögerungen geben.

Kritik aus Italien: „Ich traue diesen Konzernen nicht“ 

Auch in den Mitgliedsländern rumort es wegen der verzögerten Auslieferung des Corona-Impfstoffs von Pfizer-Biontech sowie AstraZeneca schon seit einigen Tagen. Zuletzt klagte man in Italien über eine Benachteiligung der EU-Länder. "Die Pharmakonzerne behandeln die 27 EU-Länder, als wären sie Bettler", meinte der für die Impfkampagne zuständige Regierungskommissar Domenico Arcuri. Das Land stellte ebenfalls rechtliche Schritte gegen Vertragspartner in den Raum.>> Ungeduld der Politik bei Impfstoff-Zulassung wird größer [premium]

Bundeskanzler Kurz fordert von EU-Arzneimittelagentur Tempo und erhält Rückendeckung aus Berlin. Die EMA aber will sich von der Politik nicht drängen lassen.

Auf die Frage, ob die nicht gelieferten Impfdosen in reichere Länder gewandert sein könnten, antwortete Arcur im Interview mit dem TV-Sender Canale 5 am Sonntagabend: "Ich hoffe, dass dies nicht stimmt, mit dem Leben der Menschen spielt man nicht." - "Die Pharmakonzerne haben sich verpflichtet, eine gewisse Zahl an Impfdosen zu liefern. Damit könnten wir bis Herbst 45 Millionen Italiener impfen. Ich traue diesen Konzernen nicht, ich will die Impfdosen sehen", so Arcuri. 

Italien bislang Vorreiter bei Impfungen

Seit dieser Woche muss Italien mit 20 Prozent weniger Impfstoff-Dosen auskommen. So wird das Land die Impfung von Senioren im Alter von über 80 Jahren erst in vier Wochen beginnen können, hatte Vize-Gesundheitsminister Pier Paolo Sileri zuvor am Sonntag im Interview mit RAI 1 mitgeteilt. Bei der Impfung des Rests der Bevölkerung wird es demnach zu Verzögerungen von bis zu zwei Monaten kommen. Italien will bei der zweiten Impfung jenen Personen Priorität geben, denen bereits eine erste Dosis injiziert wurde. Seit Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember wurden circa 1,35 Millionen Italiener geimpft, Vorrang haben das Gesundheitspersonal sowie in Seniorenheimen lebende Menschen. Italien ist derzeit das EU-Land mit der höchsten Zahl an geimpften Personen.

Die italienische Regierung will Druck auf die EU-Kommission ausüben, damit diese ähnliche Initiativen ergreife, sagte Außenminister Luigi Di Maio. Er kündigte den Einsatz aller rechtlichen Mittel an, um sicherzustellen, dass die Verträge mit den Pharmakonzernen erfüllt werden.

(Ag./epos)

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