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Kein Exportverbot für Corona-Impfstoffe, aber Hersteller "müssen liefern"

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Die EU habe „Milliarden“ in die Entwicklung der „weltweit ersten“ Corona-Impfstoffe gesteckt, so Kommissionspräsidentin von der Leyen. Ein „Transparenzmechanismus“ soll zeigen, welcher Impfstoff wohin exportiert wird.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Hersteller von Corona-Impfstoffen aufgefordert, ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Europa habe "Milliarden investiert, um die Entwicklung der weltweit ersten Covid-19-Impfstoffe zu unterstützen", sagte von der Leyen am Dienstag in ihrer per Video übertragenen Rede für das Weltwirtschaftsforum. "Und jetzt müssen die Firmen liefern, sie müssen ihre Verpflichtungen einhalten."

Von der Leyen bekräftigte, dass die Kommission einen "Transparenzmechanismus für den Export von Impfstoff" in Länder außerhalb der EU plant. In Brüssel gibt es den Verdacht, dass das Unternehmen andere Länder wie Großbritannien außerhalb der EU mit ungekürzten Mengen beliefert. 

Kein Exportverbot geplant

Die EU-Kommission plane aber kein Verbot für den Export von in der Europäischen Union hergestellten Corona-Impfstoffen in Drittstaaten. "Es geht hier nicht um das Blockieren, sondern darum zu wissen, was die Unternehmen auf Märkte außerhalb der EU exportieren", präzisierte ein Kommissionssprecher am Dienstag.  "Wir sehen, dass Dosen anderswohin geliefert werden", sagte der Kommissionssprecher. Da die EU Vorauszahlungen für die Produktion geleistet habe, "sollten diese Dosen eigentlich für die Lieferung verfügbar sein", sobald die EMA grünes Licht gebe.

AstraZeneca konnte bei zwei Treffen mit der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten am Montag Brüssel zufolge nicht ausreichend erklären, wie es zu den Lieferengpässen gekommen ist. Laut Kommission ist für Mittwoch nun ein weiteres Treffen mit dem Unternehmen angesetzt.

Großbritannien warnte vor Exportverbot

Zuvor hatte ein führender britischer Gesundheitsexperte vor Einschränkungen von Impfstoffexporten aus der Europäischen Union gewarnt. "Sollte das passieren, dann wäre das natürlich besorgniserregend", sagte der Chef des Nationalen Gesundheitsdienstes (NHS), Simon Stevens, am Dienstag vor Abgeordneten. Das Ziel, die am meisten gefährdeten Menschen bis Mitte Februar zu impfen, wäre dann gefährdet. Allerdings halte er es nicht für wahrscheinlich, dass es zu Problemen kommen werde.

Ärzte, Krankenhäuser und alle Partner täten gut daran, "die Impfungen jetzt schnell auf den Weg zu bringen", sagte Stevens. "Wir wollen also nicht, dass dieser Fortschritt gestoppt wird."

Hahn: „Keine zufriedenstellenden Antworten"

Auch EU-Budgetkommissar Johannes Hahn (ÖVP) äußerte sich über den Streit mit AstraZeneca. Derzeit gebe es "keine zufriedenstellenden Antworten", sagte er am Dienstag vor Journalisten. Man erwarte eine Lösung bis Ende der Woche, dann werde man die Situation erneut beurteilen.

Auf die Frage, ob die EU-Kommission rechtliche Schritte gegen AstraZeneca einleitet, antwortete der österreichische EU-Kommissar: "Der Fokus muss jetzt sein, dass geliefert wird." Es werde alles getan, um die Situation zu verbessern - unter Umständen durch die Erhöhung der Lieferung des Corona-Impfstoffs anderer Anbieter. Wenn es allerdings zu keiner befriedigenden Antwort von AstraZeneca komme, so Hahn, dann seien natürlich rechtliche Schritte - wie sie schon EU-Ratschef Charles Michel in den Raum stellte - eine mögliche Konsequenz.

Genug Geld habe man den Impfstoff-Anbietern bereitgestellt, erklärte Hahn. Die Mittel müssten auch dazu dienen, um Produktionskapazitäten in Europa aufzubauen - "also nicht irgendwo, sondern in Europa", betonte der EU-Kommissar. Man werde genau darauf schauen, was in den Produktionen im Hinblick auf die Verteilung stattfinde.

Italien klagt über Verzögerungen

Die italienische Regierung hat dem US-Pharmakonzern Pfizer unterdessen einen Mahnbrief geschickt. Rom fordert darin das Unternehmen auf, seine vertraglich eingegangenen Verpflichtungen bezüglich der Lieferung von Impfdosen für die italienische Impfkampagne zu erfüllen.

Italien werde auf nationaler und europäischer Ebene rechtliche Schritte ergreifen, um die planmäßige Fortsetzung der Impfkampagne zu garantieren, hieß es im Schreiben. Reaktionen auf den Brief der italienischen Regierung gab es seitens Pfizers nicht. Bei den Lieferungen von Vakzinen an Italien ist es in den vergangenen Tagen zu Verzögerungen gekommen.

Erst Anfang März werde Italien mit einer Impfung der Bevölkerung auf breiter Basis beginnen können, meinte Vize-Gesundheitsminister Pier Paolo Sileri laut Medienangaben. Bisher wurden rund 1,37 Millionen Personen geimpft, die aber nur eine der zwei vorgesehenen Dosen erhalten haben. "Wir müssen die Vakzine, die wir von Pfizer-Biontech und Moderna erhalten, für die zweite Dosis bereits geimpfter Personen nutzen. Erst dann können wir mit der Impfung des Rests der Bevölkerung beginnen", meinte Sileri.

Italien werde nicht vor Oktober die Herdenimmunität erreichen können, argumentierte Außenminister Luigi Di Maio. Vieles hänge davon ab, ob die Pharmakonzerne die Verträge respektieren und die Lieferungszeiten einhalten würden. Bald sollte Italien Lieferungen auch vom Konzern Johnson&Johnson erhalten, dessen Anti-Covid-Vakzin von der EU-Pharmabehörde EMA noch zugelassen werden muss.

(APA/dpa)

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