Holocaust-Gedenktag

Stöhnen mit der Sexsklavin von Auschwitz

(c) Getty Images (CBS Photo Archive)
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Als wahre Geschichten beworbene KZ-Unterhaltungsromane sind zur Verkaufsschiene geworden. Über das Genre „. . . von Auschwitz“, Pseudo-Authentizität und eine „stille Kulturrevolution“: die Auflösung normierter Erinnerung.

Kennen Sie den Tätowierer von Auschwitz? Die Bibliothekarin von Auschwitz? Den Saboteur von Auschwitz? Das alles sind Titelfiguren von Romanen oder romanesken Berichten der vergangenen Jahre, die einen Auschwitz-Häftling zur Hauptfigur haben. Es gibt auch noch „Die Geliebte von Auschwitz“, „die Brüder von Auschwitz“ und einiges mehr.
Bücher mit dem Titel „. . . von Auschwitz“ sind eine Verkaufsschiene geworden, wie vor einiger Zeit der irische Autor John Boyne kritisierte (der selbst mit dem Auschwitz-Roman „Der Junge im gestreiften Pyjama“ weltberühmt wurde). Alle diese Bücher, zum Teil auch auf Deutsch übersetzt, haben noch etwas anderes gemeinsam: Sie berufen sich auf eine „wahre Geschichte“.

Mit der Wahrheit der Literatur ist es eine schwierige Sache. Besonders, wenn die Fantasie von Romanciers nicht vor den Mauern eines KZ haltmacht. Autoren, die sich daran wagen, holen sich gern bei einem Literaturnobelpreisträger und Buchenwald-Überlebenden moralische Stärkung: Das Konzentrationslager sei „ausschließlich als Literatur vorstellbar, als Realität nicht“, sagte einst der ungarische Schriftsteller Imre Kertész.

Er meinte freilich die Unvorstellbarkeit des Grauens, am meisten für jene, die es (so wie er) selbst erlebt hatten. Seine Aussage war das Gegenteil eines Freibriefs für die Literatur: Es war die Grundlage für größtmöglichen, nie ganz einzulösenden literarischen und moralischen Anspruch. Auschwitz-Unterhaltungsromane dagegen, wie sie nicht weniger, sondern eher mehr denn je auf den Markt kommen, liefern hinter erbaulicher Fassade Mitleids-Wellness, wohliges Grauen, Billiggefühle im Billigstil.

„Aufseufzend umklammert Dita ihre Bücher, und voller Schwermut wird ihr klar, dass es jener Tag war, mit dem ihre Kindheit zu Ende ging“, lesen wir beim katalanischen Autor Antonio Iturbe über das Prager Mädchen Dita, das dann in Auschwitz laut Roman zur „Bibliothekarin“ wird (weil es für Häftlinge Bücher versteckt). Der Roman bedient sich der Lebensgeschichte der heute in Israel lebenden Dita Kraus.

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