Möbeltrends

Das neue Möbeljahr: Zurückversetzt

Auch die Designbranche wünscht sich scheinbar in andere Zeiten: Zumindest sehnen sich die neuen Möbel und Entwürfe zurück in ihre heile Welt.

Weniges ist so anstrengend, ermüdend und unangenehm, dass man es sich nicht doch ein wenig schönreden könnte. Zumindest retrospektiv. Mit dem x-ten Lockdown gelingt das allerdings nicht mehr gar so gut. Das Gehirn wird müde, hat sich schon satt gesehen an dem, was es den ganzen Tag vor Augen hat. Und das ist vor allem viel, viel Wohnung und Zuhause. In Innenräumen haben die Menschen auch schon vor dem Lockdown fast 90 Prozent ihrer Zeit verbracht. Nur ist es ihnen nicht so sehr aufgefallen. Genauso wenig, dass auch Möbel, Wände, Räume, Gegenstände vehement auf einen selbst einwirken. Vor allem auf Dauer. Und was vor allem Einfluss nimmt: die Gewohnheit. Sie rettet auch über ästhetische Unzulänglichkeiten. Bei manchen hängen ja auch lang nach dem Umzug noch die Baustellen-Lampenfassungen aus der Decke. Doch vom Home-Office aus, aber auch in den Manufakturen und Produktionsstätten kümmerten sich Unternehmen und Designer in der Zwischenzeit darum, dass es nicht nur durch psychische Selbstschutzmechanismen schöner wird drinnen. Und darum, dass man wieder was zum Ausstellen hat. Zumindest im digitalen Showroom, wenn schon auf den üblichen Podien und Bühnen, den Messen etwa, so schnell nicht das Licht angeht.

Warten auf den analogen Raum

Die kontaktlosen Zeiten sind ein Desaster für eine Branche, die ihre Produkte zu einem Großteil auch über ihre anfassbaren, haptischen Qualitäten definiert. Und gerade jetzt, Ende Jänner, hätten wahrscheinlich schon Tausende Hände über die Möbel auf der IMM Cologne in Köln gestreichelt, um Neuheiten und Trends zu erspüren. Doch die haptischen Signale, sie bleiben diesmal stumm. Die visuellen Zeichen allein müssen das Neue verkünden. Obwohl es die Hersteller diesmal nur zaghaft in die Welt senden. Auch weil viele zuwarten. Und – ähnlich wie in der Filmbranche – sich viele fast fertige Projekte absichtlich in der Pipeline stauen. Bis man weiß, unter welchen Umständen man sie zeigen kann. Das Kino wartet auf seine Säle. Die Möbel warten auf ihre Messehallen und Showrooms. Selbst wenn die Unternehmen inzwischen fleißig andere digitale Kanäle ersatzweise befüllt haben, um ihre Neuigkeiten zu verbreiten, Podcasts, YouTube-Videos, Blogs und anderes.
Zeitenblende. Die digitalen Substitute verkünden die Botschaft: Die Trendkurve zweigt wieder ab – in Richtung Kurve. Und dorthin, wo organisch geschwungene Linien der Sinnlichkeit zuliebe einen Umweg gehen. Vor allem die Weichheit, die visuell wahrgenommene wie auch die gefühlte, durchdringt die Entwürfe. Als wäre außerhalb der Sitzfläche, der Couch und des Betts, das Leben ohnehin zu eckig und zu hart. Diesen Erzählstrang rollen die Möbelhersteller als roten Faden weit in die Vergangenheit aus.

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