Porträt

Julia Franz Richter: Wir wollen aktiv und böse sein

Schauspielerin Julia Franz Richter im Gespräch über das utopische Potenzial der Krise und den Protest der Jugend.

Eine wunderschöne junge Frau steht im Ballettröckchen am Bühnenrand, sie tanzt, aber ihr Gesicht sagt: „Rührt mich nicht an! Ich will ich selbst sein und sonst nichts!“ Das war die Schauspielerin Julia Franz Richter 2018 als Lulu nach Frank Wedekinds „Monstertragödie“ am Grazer Schauspielhaus – in einer markant geschärften Inszenierung von Markus Bothe und zur fetzigen Musik der Tiger Lillies. Gern wählen Intendanten Vamp Lulu, aber selten wissen sie wirklich mit dieser Antiheldin, die sich hinauf- und hinabschläft, etwas anzufangen. In Graz aber wusste man gleich, worum es geht. Statt Monster Lulu zu entblättern, hieß der Abend klar und deutlich: „Eine Mörderballade“. Diese Lulu machte die Lolita zur sturen Einzelkämpferin.

„,Lulu‘ ist ein schwieriges Stück“, sagt Julia Franz Richter heute: „Es stellt sich bei Klassikern oft die Frage, was mache ich wie. Das gilt für Theater, Film und Fernsehen. Man versucht, ein Stück aus dem Kanon neu oder anders zu interpretieren. Aber aus feministischer Perspektive betrachtet verfällt man leicht darin, Stereotype zu reproduzieren und Menschen auf der Bühne unter Anführungszeichen zum zweiten Mal zum Opfer zu machen. Der Kanon hat ja etwas Identitätsstiftendes. Ich frage mich jedoch, was an Stadttheatern passieren würde, wenn man wirklich mal eine Spielzeit lang kein Stück bringt, das älter als 100 Jahre ist.“

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