Zweiter Weltkrieg

Flüchtling aus Österreich vermacht Exilgemeinde in Frankreich ein Millionenvermögen

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Die südfranzösische Kommune Chambon-sur-Lignon erbt rund zwei Millionen Euro von einem Mann, der vor der NS-Herrschaft dorthin geflohen war.

Ein während der Herrschaft der Nationalsozialisten aus Österreich geflohener Mann, der im Dezember gestorben ist, hat sein Vermögen jener französischen Gemeinde vermacht, die ihn 1943 aufgenommen hatte.

Der am ersten Weihnachtstag mit 90 Jahren verstorbene Eric Schwam habe der Kommune Chambon-sur-Lignon einen "beträchtlichen Betrag" hinterlassen, sagte Bürgermeister Jean-Michel Eyraud am Freitag. Aus dem Rathaus ist von rund zwei Millionen Euro die Rede. Ein Notar aus Lyon habe zu Jahresbeginn angerufen und über den Nachlass informiert.

Le Chambon-sur-Lignon hat rund 2400 Einwohner und liegt im Süden Frankreichs westlich von Valence im Département Haute-Loire, Region Auvergne-Rhône-Alpes.

Schwam war Witwer, seine Frau Colette war erst im Jänner 2020 verstorben. Kinder hatte das Paar nicht und es gab keine anderen „natürlichen" Erben.

Eric (eigentlich Erich) Schwam war mit seiner jüdischen Familie als Jugendlicher nach Frankreich geflohen. Denise Vallat, eine Sprecherin der Gemeinde, sagte, die Familie sei aus Wien gekommen und Schwams Vater dort Arzt gewesen. In einer anderen Quelle heißt es, die Familie sei zuvor im Lager Rivesalt nahe Perpignan und der Grenze zu Spanien am Mittelmeer gewesen und dann wohl geflohen (das Lager wurde im November 1942 geschlossen), denn sie seien Anfang 1943 in Chambon-sur-Lignon aufgetaucht, also nach dem deutschen Einmarsch in Südfrankreich.

Schwam ging von 1943 bis 1950 in Chambon-sur-Lignon auf eine Schule, die von Protestanten im Geist des Widerstands gegen staatliche und religiöse Unterdrückung gegründet worden war. Danach zog er in den Raum Lyon, studierte Pharmazie und heiratete eine Französin aus Lyon. Er arbeitete als Labortechniker und Pharmakologe und verbrachte mit seiner Gattin ein unauffälliges Leben.

Seine Eltern, sagt Vallat, gingen nach dem Krieg wieder nach Österreich zurück. „Wir haben die Sterbeurkunde des Vaters und der Mutter."

Der Vater war Arzt in Wien

Tatsächlich lassen sich durch Daten einer Genealogie-Homepage (www.geni.com) einige Details zu den Personen rekonstruieren: Erich Arthur Schwam (*21. Oktober 1930 in Wien) war demnach das einzige Kind von Dr. Oskar Schwam (1897-1958, geboren in Wien) und Malcie Schwam (1902-1979, geboren in der Region Iwano-Frankiwsk in der heutigen Westukraine, Mädchenname: Schulmann). Beide sind auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet.

2013 wandten sich Eric und Colette Schwam (geborene Ponthus) an die Ortsverwaltung, um Möglichkeiten eines Vermächtnisses an die Gemeinde auszuloten. Das Geld solle in irgendeiner Form für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen benützt werden, etwa für Stipendien, regten die beiden an.

Laut Testament könnten daraus auch Hilfen für Kleinunternehmen finanziert werden. Der Gemeinderat soll voraussichtlich im Februar über die Verteilung des Vermögens beraten. Wie Gemeindesprecherin Vallat sagte, habe es nach dem Krieg durchaus bisweilen Geschenke der überlebenden Flüchtlinge an den Ort oder gewisse Personen dort gegeben. Dieses Legat nun sei in seiner Höhe allerdings beispiellos. 

Zufluchtsort für Tausende

In der mittelgebirigigen Gegend fanden während des Zweiten Weltkriegs gesamt bis zu 5000 Flüchtlinge Zuflucht, davon etwa 3500 Juden aus Deutschland, Österreich, Holland, Belgien, Frankreich. Dem Großteil davon gelang das jedenfalls bis November 1942. Nach dem Sieg Deutschlands über Frankreich im Juni 1940 waren das Zentrum und der Süden des Landes nämlich zunächst unbesetzt und Teil von Vichy-Frankreich geblieben. Als Reaktion auf die Landung alliierter Truppen in Marokko und Algerien (damals französisch) besetzten dann aber deutsche und italienische Kräfte im November 1942 auch diese Region.

Eric Gaba / CC BY-SA 4.0

In Israel wurden diese französischen Helfer der Juden mit dem Titel "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet. Ein Museum in Chambon-sur-Lignon erinnert an den Widerstand in der Region, wo man nach der dort deutschen Besetzung die Juden versteckte.

Evangelischer Pastor als „Engel"

Als Initiator der Hilfe für die Flüchtlinge im Raum Chambon-sur-Lignon gelten der evangelische Pastor André Trocmé (1901-1971), seine Frau Magda und andere Bürger. Die Bewohner der Region stammten zum großen Teil von Hugenotten ab, die als stur, glaubensfest und widerständig gelten. Sie brachten die Flüchtlinge in Privathäusern, Bauernhöfen, Scheunen und öffentlichen Gebäuden unter, zudem gab es Waldverstecke. Die lokale Polizei sah weg oder half sogar aktiv mit.

www.ajpn.org

Rückten deutsche Patrouillen an, wurden die Leute im Wald versteckt. Waren die Soldaten wieder fort, gingen Einwohner in die Wälder und sangen ein bestimmtes Lied, um zu signalisieren, dass die Luft wieder rein war.

Zudem versorgten die Bewohner der Gegend Verfolgte mit Ausweispapieren und Lebensmittelkarten. Einigen half man bei der Flucht in die Schweiz. Manche der Helfer wurden verhaftet. Darunter war auch Daniel Trocmé, ein Cousin des Pfarrers. Daniel Trocmé starb später in einem deutschen KZ.

Radio France

(APA/AFP/wg)

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