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Das Haus der Zukunft ist flexibel und denkt mit

Gebäude sollen in Zukunft selbst erkennen, wann sie energieeffizient sind und wann sie gewartet werden müssen.
Gebäude sollen in Zukunft selbst erkennen, wann sie energieeffizient sind und wann sie gewartet werden müssen.(c) imago images/Imaginechina-Tuchong (via www.imago-images.de)
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Gebäude, die selbst erkennen, wann sie energieeffizient sind und wann sie gewartet werden müssen – an solchen Lösungen wird in einem EU-Projekt gearbeitet, an dem Wissenschaftler der Forschung Burgenland beteiligt sind. Sie prüfen auch, wie Bestandsbauten smarter werden können.

Seit Beginn des Jahres 2021 müssen alle Neubauten in der Europäischen Union als „Nearly Zero Energy Buildings“ errichtet werden, also nahezu auf dem Niveau von Null-Energie-Häusern. Dieser Gebäudestandard wird durch die vor gut einem Jahrzehnt beschlossene Richtlinie der EU festgeschrieben, die nun in Kraft getreten ist. Eine seiner Vorstufen sind etwa die in Österreich seit Langem boomenden Passivhäuser.

Während die Verpflichtung zum Niedrigstenergiegebäude gegenwärtig die Entwicklungsabteilungen von Hochschulen und Unternehmen noch ausreichend beschäftigt, um verbraucherfreundliche und kostengünstige Lösungen zu finden, ist auch für zukünftige Herausforderungen bereits gesorgt: Seit 2018 nimmt eine Nachfolge-Gebäuderichtlinie die Treibhausgasemissionen in Gebäuden ins Visier und gibt das Ziel vor, sie unter anderem durch den Einsatz smarter Technologien zu verringern. „Der nächste Schritt nach dem Zero Energy Building ist das intelligente Gebäude. Es soll in Zukunft selbst erkennen, wenn es nicht energieeffizient läuft“, sagt Christian Heschl, Studiengangsleiter für Gebäudetechnik und Gebäudemanagement an der FH Burgenland und Leiter des Center for Building Technology der Forschung Burgenland in Pinkafeld. Ganz wesentlich sei an der neuen Richtlinie zudem, dass sie sich nicht mehr nur auf neue, sondern auch auf bereits bestehende Gebäude beziehe: „In Österreich zum Beispiel haben wir 98 Prozent Bestandsgebäude und nur zwei Prozent Neubauten.“

Unter realen Bedingungen testen

Heschl und sein Team arbeiten im Rahmen des EU-finanzierten Großprojekts „Prelude“ an diesen Themen, und zwar zusammen mit 20 anderen Hochschulen und Unternehmen aus zehn europäischen Ländern. Heschl kann in das Projekt nicht nur eine beeindruckende Infrastruktur einbringen – das „Living Lab Energetikum“, in dem Innovationen innerhalb der Gebäudetechnik unter realen Betriebsbedingungen getestet werden können. Er verfügt auch über ein interdisziplinär zusammengesetztes Forschungsteam, in dem Gebäudetechniker mit Experten für künstliche Intelligenz und Big Data zusammenarbeiten. „Wir sind dadurch in fast alle Arbeitspakete des EU-Projektes miteinbezogen“, sagt der Centerleiter.

Das Hauptforschungsthema der Energieeffizienz bietet für Heschl den Mehrwert, auch neue Wege auf dem Gebiet der sogenannten Sektorkopplung zu finden, also der Vernetzung verschiedener Energiebereiche. „Mit dem Ausbau von Fotovoltaik- und Windkraftanlagen nimmt die Volatilität der elektrischen Energieversorgung und damit der Bedarf an integrierten Gesamtsystemlösungen deutlich zu“, schildert er. Daher sei die alleinige Reduktion des Energiebedarfs durch passive Maßnahmen nicht ausreichend, um die Klimaziele zu erreichen: „Zukünftig werden wir vermehrt intelligente Gebäude benötigen, die ihren Heiz- und Kühlbedarf entsprechend dem aktuellen Energieangebot anpassen können.“

Intelligente Lösungen sollten laut Heschl neben der Energieeffizienz und der Flexibilität noch einen dritten Vorteil bieten, der die Wartung betrifft. „Es ist ein konkretes Ziel des Projekts, die Wartungs- und Instandhaltungskosten mit dem Einsatz von kostengünstigen Sensoren und künstlicher Intelligenz zu reduzieren. Das ist der nächste logische Schritt, da ein Großteil der benötigten Daten bereits durch die Gebäudeautomatisierung verfügbar ist und lediglich neu interpretiert werden muss.“

Die Wissenschaftler beschäftigen sich auch mit der Möglichkeit, intelligente Systeme nicht nur für die klassische Beheizung, sondern auch für die Klimatisierung von Gebäuden einzusetzen. „Wir versuchen unter anderem durch den Einsatz von Occupancy Modelling (wörtl. „Belegungsmodellierung“ zur Vorhersage des Nutzerverhaltens; Anm.)den tatsächlichen hygienischen Lüftungsbedarf vorherzusagen und damit den Betrieb von Klimaanlagen effizienter zu gestalten. Dadurch können mehrere Vorteile gleichzeitig erzielt werden. Neben der Reduktion des Energiebedarfs und des Anlagenabnutzungsgrads wird auch für die Nutzer eine verbesserte Raumluftqualität sichergestellt – ein Thema, das derzeit vor allem durch Covid-19 wieder an Aktualität gewinnt.

LEXIKON

Niedrigstenergiegebäude (Nearly Zero Energy Buildings) wurden in der EU-Gebäuderichtlinie des Jahres 2010 als künftiger Gebäudestandard beschlossen, um die thermische Gebäudequalität zu beschreiben. 2021 trat die Richtlinie in Kraft.

Intelligente Gebäude (Smart Buildings) stellen die nächste Entwicklungsstufe dar. Sie wurden mit der letzten Änderung der Gebäuderichtlinie im Jahr 2018 als Zielvorgabe definiert. Ein Intelligenzfähigkeitsindikator (Smart Readiness Indicator) wurde darin als Bewertungsschema für intelligente Gebäude eingeführt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2021)

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