Marienhof Reichenau
Hausgeschichte

Reichenau an der Rax: Altes Flair, neue Träume

Im ehemaligen Hotel Fischer in Reichenau an der Rax stiegen im Fin de Siècle zahlreiche Persönlichkeiten ab. Nun erhielt das jetzige Hotel Marienhof ein weiteres Update.

Mit dem Reisen ist es derzeit so eine Sache – der Wunsch ist groß, die Möglichkeiten sind beschränkt. Ob sich die Menschen im 19. Jahrhundert auch so fühlten? Mit dem Bahnbau, der erstmals ein schnelles und unkompliziertes Vorwärtskommen ermöglichte, setzte jedenfalls eine eifrige Reisetätigkeit ein, vor allem die Südbahn und der Semmering wurden zum Sehnsuchtsbegriff der besseren Gesellschaft. Villen und Hotels entstanden, und mit ihnen der berühmte „Semmering-Stil“, der besonders die Brüder Franz und Gustav Neumann berühmt machte: Elemente der bäuerlichen und der Villen-Architektur vermischten sich, helle Wandfarben, dunkle Holzverkleidungen mit Bemalungen, geschnitzte Holzbalkone, elegante Säulenfenster, mitunter bunte Fensterläden, Türmchen, Nischen und ein bisschen Jugendstil. Innen Parkett, exklusive Vorhänge, Luster, Luxus.

Von Strohlager zu Luxushotel

„An berühmten Gästen hat es diesem Hotel damals nicht gemangelt“, erzählt Stefan Pirker, der das Hotel Marienhof, wie es seit 1976 heißt, im Frühjahr 2020 übernommen hat.

Johann Nestroy, Oskar Kokoschka und Arthur Schnitzler, zahlreiche Mitglieder des Hauses Habsburg – da das Hotel einer der gesellschaftlichen Mittelpunkte von Reichenau war, sind alle prominenten Besucher des Ortes auch mit Sicherheit hier zu Gast gewesen“, sagt er.

»"An berühmten Gästen hat es diesem Hotel damals nicht gemangelt."«

Schon 1789, so wird überliefert, wurde am Ort des heutigen Hotels Marienhofs ein einstöckiges Gebäude mit zwei Gästezimmern und einem Strohlager errichtet. 1889 wurde das Haus durch Josef Fischer vergrößert und als Hotel Fischer bekannt. 1895 gab es eine weitere Verwandlung: Der Baumeister August Böhm aus Wien verpasste dem Objekt eine völlige Neugestaltung, eine eigene Wasser- und eine Gasanlage wurden eingebaut, um den luxusverwöhnten Gästen mehr Komfort zu bieten. Die beiden Weltkriege und das Aufkommen der Fernreisen setzten der Semmering-Region touristisch sehr zu, auch das Hotel Fischer wurde zum Teil anderweitig verwendet – als Lazarett – und verfiel schließlich.

Klingender Name

1976 bis 1978 wurde das Hotel wiederaufgebaut und mit dem klingenden Namen Marienhof versehen – angelehnt an die 1893 bis 1897 von Gustav Neumann erbaute legendäre Wasserheilanstalt Marienhof im Haidachgraben am Semmering. Diese war nicht nur stilistisch ein gern nachgeahmter Hit, sondern läutete damals auch ein neues Kapitel in der Geschichte des Semmeringer Fremdenverkehrs ein, den Weg zum Nobel-Kurort. Neben Heilbädern mit Kuren wie in den traditionellen und innovativen Luxuskurorten Europas wurde hier als zusätzliche Therapie zudem auch landwirtschaftliches Arbeiten im Freien angeboten. Ob der Mix aus bäuerlichen und innovativ-luxuriösen Therapieansätzen Anleihen an der Mix-Architektur des Semmering-Stils nahmen, ist nicht bekannt.

Innenansicht: Marienhof Reichenau
Innenansicht: Marienhof Reichenaumartinstoebich.at

„In den 1970er-Jahren wurde auch die Zimmereinteilung verändert, das haben wir bis heute beibehalten“, berichtet Pirker von den 54 Zimmern und Suiten, die eine Mischung aus zweckmäßig und mondän ausstrahlen. Auch die Küche wurde vom Keller auf die zeitgemäßere Ebene der Restaurants verlegt. Ein großer Aufzug und ein Hallenschwimmbad wurden ebenfalls errichtet. Weitere große Renovierungen gab es 1999, 2006 und 2015, das Hauptaugenmerk wurde dabei auf die Nutzung des Hauses als Seminarhotel gelegt – mit acht Seminarräumen unterschiedlicher Größe. Das Entree mit Stiegenaufgang und die Salons vermitteln weiterhin das elegante Flair des Fin de Siècle.

Ein Ball wird kommen

Nach der Neuübernahme 2020 wurde die Fassade erneuert, eine Showküche eingebaut und neu ausgemalt, bevor im Herbst aufgesperrt wurde. Zurzeit ist es klarerweise wieder geschlossen, und dass die Situation im Moment für Hotelbesitzer alles andere als einfach ist, liegt auf der Hand. „Wir wissen natürlich nicht, wie es weitergeht. Aber auch wenn wir wieder öffnen können, wollen wir vorab unser Hauptaugenmerk auf Seminare und exklusive Events legen, wenn möglich auch wieder Bälle veranstalten, da sich das Haus dafür bestens eignet“, meint Pirker. Mit dem lang prognostizierten Aufschwung der Gegend und der coronabedingten Retro-Sommerfrische in kurzer Distanz zur Großstadt könnten diese Pläne denn auch tatsächlich umgesetzt werden.

ZUM ORT, ZUM OBJEKT

Reichenau an der Rax war eines der ersten Sommerfrische-Ziele in NÖ und ist heute beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen. Das über 100 Jahre alte Hotel Marienhof wurde mehrmals adaptiert und verändert, zuletzt 2020. Einfamilienhäuser kosten im Bezirk Neunkirchen zwischen 730,50 und 1716,50 Euro/m2. [ Quelle: WKO Immobilienpreisindex ]

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2021)

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