Entdecker des Ozonlochs, Erklärer des Anthropozäns

Der Chemienobelpreisträger Paul J. Crutzen ist 87-jährig gestorben.

„Der Klimawandel beschäftigt mich mein ganzes Leben“, sagte Paul J. Crutzen einmal in einem Interview. Und das stimmte: Kein anderer Naturwissenschaftler hat so viel für das Wissen um menschengemachte Veränderungen des Klimas getan wie er. Dabei hat er, geboren 1933 in Amsterdam, eigentlich Bauingenieurswesen studiert und als Computerprogrammierer an der Uni Stockholm gearbeitet. Doch als er dabei mit meteorologischen Problemen betraut wurde – die ja geradezu nach Computermodellen schreien –, packte ihn die Begeisterung für diese Wissenschaft. Er studierte sie und widmete sich bald seinem großen Forschungsgebiet: der Fotochemie des Ozons (O3) in der Stratosphäre. Dieses stark reaktive Gas wird ja ständig auf- und abgebaut, in einem heiklen Gleichgewicht, beeinflusst von der UV-Strahlung, aber auch von ebenfalls reaktiven Molekülen wie Lachgas (N2O). Crutzen konnte zeigen, dass der zunehmende Einsatz von Düngemitteln die Emissionen von N2O steigert, das in die Stratosphäre steigt und dort Ozon zerstört. Am National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado (ab 1977), am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz (ab 1980) und an etlichen anderen Instituten forschte er weiter über die Chemie der Ozonschicht und des Ozonlochs. 1995 erhielt er dafür den Chemienobelpreis, gemeinsam mit Mario J. Molina und Frank S. Rowland.

Die öffentliche Autorität, die der Nobelpreis bringt, nutzte Crutzen, um auf Gefahren aufmerksam zu machen – eindringlich, aber nie pessimistisch. Und manchmal erfolgreich: Das Verbot der Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die Ozon zersetzen, ist auch seinem Engagement zu verdanken. Er warnte zudem vor dem „nuklearen Winter“, der durch einen Atomkrieg und damit verbundene Rußemissionen ausbrechen könnte. Dieses Szenario trat nicht ein, dafür aber die Erderwärmung durch vermehrten Ausstoß von Treibhausgasen. Dass dieser Klimawandel zum Großteil menschengemacht ist, davon war Crutzen schon überzeugt, als etliche noch zweifelten. Er hat auch den Begriff „Anthropozän“ geprägt: für den jüngsten Abschnitt der Erdgeschichte, in dem der Mensch maßgeblich das Klima verändert. Nun ist dieser wirkmächtige Wissenschaftler 87-jährig nach langer Krankheit gestorben. [ Nobel Foundation Archive] (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2021)

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