Macht und Manipulation

Orwell: Im 21. Jahrhundert ist immer „1984“

(c) Getty Images (Matthew Horwood)
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Coronaskeptiker, Genderkritiker, Politiker – alle berufen sich auf Orwell. Jetzt ist sein Werk auch noch gemeinfrei: Neues über „Neusprech“ und Co.

Die jüngste Orwell-Welle begann im Jänner mit einem republikanischen Senator. Er nannte es „more than Orwellian“, dass ein Verlag wegen seiner Anfechtung der Präsidentschaftswahl einen Vertrag mit ihm gelöst habe. Dann schrieb Donald Trump jr. über die Sperre des Twitterkontos seines Vaters: „Wir leben Orwells 1984.“ Nochmals vier Tage später war Orwells Roman auf Amazon.com kurzzeitig auf Platz eins – wohl auch wegen einer angekündigten TV-Serie dazu.

Aber eigentlich gibt es in unserer Gegenwart gar keine Orwell-Wellen mehr, so sehr verfließen sie zum unruhigen Dauerfluss. Das geht schon seit 2017 so, als man von Alternativen Fakten und Fake News zu reden begann (und „1984“ wieder zum Bestseller wurde). Seit der Pandemie findet sich die Zahl auf Hauswänden, Plakaten, in Reden und Texten gegen die „Coronadiktatur“. Zuletzt nannte sich die Website österreichischer Impfgegner „www.1984.at“. Und jetzt sind auch noch mit 1. Jänner in der EU die Urheberrechte für Orwells Werk abgelaufen - mit sichtlichen Folgen.

Die besten zwei Neuausgaben

Dutzende Neuübersetzungen von „1984“ haben Verlage gleich auf den Markt geworfen. Darunter vier deutsche, in diverser Qualität. Empfehlenswert ist die Manesse-Ausgabe in der Übersetzung von Gisbert Haefs (mit ausgezeichnetem Nachwort des Autors und Übersetzers Mirko Bonné); aber auch die des Übersetzers und Doderer-Experten Lutz W. Wolff (bei dtv; verzichtbar das recht platt aktualisierende Vorwort des deutschen Grünen-Politikers Robert Habeck).
„It was a bright cold day in April, and the clocks were striking thirteen“, lautet der erste Satz des Originals. Auf Deutsch kann man nun einsteigen mit: „Es war ein klarer, kalter Tag im April, und die Uhren schlugen dreizehn.“ Oder: „Es war ein klarer, kalter Apriltag, die Uhren schlugen dreizehn. Oder: „Es war ein heller, kalter Apriltag. Die Uhren schlugen dreizehnmal.“ Oder: „Es war ein strahlend kalter Tag im April, und die Uhren schlugen dreizehn.“

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