Covid-19

Zehn Festnahmen: Polizei löst aggressiven Corona-"Spaziergang" in Wien auf

APA/HERBERT NEUBAUER
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Der nicht angemeldete Corona-"Spaziergang“ mit etwa 5000 Teilnehmern sorgte für Festnahmen und gesperrte Routen. Bisher sind zehn Personen festgenommen und vier Polizisten verletzt worden.

Bei der von der Polizei im Vorfeld verbotenen Corona-Demo in Wien sind zum derzeitigen Punkt zehn Personen festgenommen und vier Polizisten (Korrektur der APA-Information: vormals zehn Polizisten) verletzt worden. Das teilte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in einer Zwischenbilanz Sonntagabend mit. Er verteidigte die umstrittene Untersagung fast alle Corona-Demos am Wochenende in Wien und gab seinem Vorgänger Herbert Kickl und dessen Partei FPÖ die Schuld an den heutigen Vorkommnissen.

Die Versammlung mit mehrere tausend Menschen war Sonntagabend noch immer im Gange, wie Nehammer sagte. Er bezeichnete es als "völlig absurd, dass ausgerechnet ein ehemaliger Innenminister Öl ins Feuer gießt und unheilige Allianzen mit Rechtsradikalen schmiedet", sagte Nehammer, führte aber gleichzeitig aus, dass die Masse der Versammlung sehr heterogen gewesen sei und Familien mit Kindern neben Rechtsradikalen marschiert seien. Empört zeigte er sich über die zehn verletzten Polizisten von denen einer ins Spital behandelt werden musste. Verantwortlich dafür sei FPÖ, die viel Stimmungsmache betrieben und damit die Gesundheit von Polizisten gefährdet habe, sagte Nehammer.

Nach Informationen der Austria Presse Agentur ist einer der Festgenommenen der Rädelsführer der Corona-Skeptiker Martin Rutter, der früher bei mehreren Parteien (Grüne, FPÖ und BZÖ) aktiv war. Zahlreiche Anzeigen betraffen Verstößen gegen die Covid-19-Maßnahmen Mehrere Personen wurden aber auch wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen.

Die Demonstration mit 5000 Teilnehmern zog stundenlang in mehreren Zügen durch die Stadt. Anfangs hatten sich am Sonntag zunächst ein paar hundert Menschen noch recht friedlich - wenn auch weitgehend unter Missachtung des Masken- und Abstandsgebots - versammelt. Mit zunehmendem Zustrom wurde die Stimmung aggressiver, die "Spaziergänger" stürmten den für Autos zunächst nicht gesperrten Ring. Die rund 5.000 Teilnehmer sammelten sich schließlich auf der Ringstraße gegenüber vom Heldenplatz. Die Polizei forderte zum Abgang in kleinen Gruppen auf und löste die unangemeldete Versammlung schließlich auf. Sie sperrte - Präsident Gerhard Pürstl leitete den Einsatz -, verstärkt mit Polizeidiensthunden, die Routen ab und kesselte die Demo damit ein. Andere danach durch die Stadt ziehenden Demo-Züge beobachteten die Polizisten - insgesamt waren mehr als 1.000 im Einsatz. Sie mussten sich immer wieder höhnische und aggressive Kommentare anhören, es kam auch zu einigen kleinen Tumulten.

Der Appell von FPÖ-Klubobmann Kickl, der zuvor via Facebook zur Besonnenheit aufgerufen und die Polizei als "Freund" gelobt hatte, hatte offensichtlich nicht bei allen Teilnehmern gefruchtet. Am Sonntag gab Kickl, gemeinsam mit Parteichef Norbert Hofer, in einer Aussendung Nehammer "und Co." die Schuld: Sie hätten "mögliche Eskalationen" mit der Untersagung der Demos "mutwillig und aus rein parteipolitischen Gründen geradezu provoziert".

Zum - von vielen auf Kickls Facebook-Seite begrüßten - "Spaziergang" gekommen waren u.a. auch Identitäre rund um Martin Sellner oder der Neonazis Gottfried Küssel samt Mitstreitern. Das oberösterreichische Busunternehmen, das schon vor zwei Wochen mit Demo-Fahrten geworben hatte, hatte offensichtlich auch diesmal wieder Teilnehmer nach Wien gebracht.

Die Landespolizeidirektion wies den Vorwurf Kickls zurück. Man habe die Großversammlungen "aus rein sachlichen Gründen" abgesagt - weil laut Expertisen die Gefahr der erhöhten Übertragung der neuen Virusvarianten bei Massendemos ohne Einhaltung von Abstands- und Maskenpflicht bestehe. "Parteipolitische Überlegungen haben dabei keinen Platz zu finden", wurde betont. Wegen der epidemiologischen Gegebenheiten habe man auch die Auflösung der unangemeldeten Demo am Ring verfügt - und habe sich danach um ein "gewaltfreies Auseinandergehen" bemüht.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger nahm dies zum Anlass für scharfe Kritik - er sprach in einer Aussendung von einem "neuen Tiefpunkt" in Kickls "Verbrüderung mit Rechtsextremen und Corona-Leugnern". Der FPÖ-Klubobmann habe sich "öffentlich hinter den bekannten Neonazi Gottfried Küssel und den Chef der Identitären Bewegung, Martin Sellner" gestellt, die "rechte Szene mobilisiert, Ausschreitungen in Kauf genommen" und damit bewusst Polizisten in Gefahr gebracht. Den Vorwurf, der Innenminister habe eine Weisung auf Absage der Demo getätigt, wies er zurück. Diese Entscheidung hätten die Sicherheitsbehörden gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden getroffen.

„Religionsbezug“ 

Begonnen hatte das sonntägliche Kundgebungsgeschehen klein, friedlich und mit hervorgestrichenem Religionsbezug, sehr zum Unmut der katholischen Kirche. Bei einer angemeldeten Versammlung hatten sich im Wiener Volksgarten - unter weitgehender Einhaltung von Abstands- und Maskenregeln - rund 40 Menschen eingefunden. Die Erzdiözese Wien hatte im Vorfeld vor als "christliche Prozession" getarnten Demos gewarnt und solchen "Missbrauch von Religion und Religionsfreiheit" abgelehnt.

"Eine Demo wird auch durch religiöse Staffage nicht zu einer Prozession, sondern bleibt eine Demo. Katholiken sollten bei diesem Etikettenschwindel nicht mitmachen", hatte der Sprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, Sonntagfrüh via Kathpress gewarnt - angesichts von Aufrufen im Internet für pseudoreligiöse Veranstaltungen im Umfeld von behördlich nicht genehmigten Demos.

Die Volksgarten-Spaziergänger gruppierten sich denn auch locker um ein Plakat mit der Aufschrift "Österreich ist frei - Jesus ist König". Peter Steinbacher, der Gründer von "Hallelujah TV" - das sich in den Sozialen Netzen gegen Corona-Maßnahmen stark macht - lud nach kurzer Ansprache alle ein, am Mikro über Jesus zu reden und für das Land zu beten.

(APA)

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