Gastkommentar

Mit Federn, Haut und Haar: Pfeifen im Wald? Stimmungsbild der heimischen Wirtschaft

Aus den Kommentaren von Managern spürt man Sehnsucht nach Stabilität und Geborgenheit, gewinnt aber auch den Eindruck, dass man den unvermeidlichen Aufbruch noch proaktiver vorantreiben könnte.

Am 31. 12. erschienen in der „Presse“ Kommentare von 85 führenden heimischen Managern (CEOs). Sie dienten mir als Grundlage für eine einfache Inhaltsanalyse. Schließlich sind die Einschätzungen dieser Wirtschaftselite spannend, vor allem angesichts von Covidkrise und Zeitenwende. Weitermachen wie bisher? Das wird kaum möglich sein angesichts von Pandemie, Klima- und Biodiversitätskrisen, schwächelnden Demokratien etc. Wohin also geht die Reise?


Die Kommentartexte ergeben ein Stimmungsbild der heimischen Wirtschaft, wenn auch die Auswahl der CEOs in wissenschaftlichem Sinn nicht repräsentativ war. Erwartungsgemäß dominierte der Optimismus, parallel zu einer Umfrage in Deutschland („Handelsblatt“: 2200 Firmen, 43 Verbände). Zumal nicht für alle Branchen Covid schlecht war und für 2021 ein Aufschwung erwartet wird. Doch nur 11 % der Befragten erwähnten die enormen Covid-Förderungen durch den Staat – Notwendiges muss eben nicht unbedingt Freude bereiten.

Generell gab man sich mäßig konservativ. So wünschte man sich in 28 % der Beiträge mehr oder weniger direkt ein Zurück in eine Normalität von Sicherheit und Wachstum. Verständlich, aber ob das angesichts der globalen Lage sinnvoll ist? Die konservative Genetik der Wirtschaft zeigte sich auch im Frauenanteil: Nur elf (13 %) der Kommentare kamen von weiblichen CEOs. Das Wirtschaftspatriarchat sitzt also fest im Sattel. Ob so auch zu erklären ist, dass 18 % grenznarzisstische, werbetextähnliche Selbstdarstellungen lieferten? Zukunftstauglichkeit sieht anders aus.

Fast alle kommentierten den eigenen Betrieb, die eigene Branche. Die meisten dieser Kommentare lasen sich teflonartig sauber und trainierten damit meine Neigung, zwischen den Zeilen zu denken. Nur 8 (9 %) fesselten durch unkonventionellen Stil oder Inhalt, einer durch (unfreiwillige) Komik. Nicht allzu viele Beiträge wurden wirklich konkret, wie etwa Hagelversicherung oder Wienerberger. Nur 5 % bezogen sich direkt auf die Weltlage, 6 % auf die in Österreich, und 9 % formulierten klar politische Botschaften – ein wenig mager für einen lebendigen demokratischen Diskurs. Immerhin betonten 53 % Zukunft und Innovation, 27 % gaben sich irgendwie ökologieorientiert, meist symbolisiert durch das gut klingende, aber wenig konkrete Wörtchen „nachhaltig“. Artensterben und Biodiversität kamen gar nicht vor (!).

Zusammenhalt und Kooperation waren – branchenspezifisch – immerhin 22 % der CEOs wichtig, übrigens mehr als der Hälfte der weiblichen CEOs, aber nur einer Minderheit der männlichen. Man spürt Sehnsucht nach Stabilität und Geborgenheit im bisherigen System und gewinnt den Eindruck, dass man den unvermeidlichen Aufbruch noch proaktiver vorantreiben könnte. Die Herausforderungen der Zukunft brauchen Innovationsfreude, Lösungsorientierung und Pioniergeist, nicht nur im Bereich Technologie. Der Markt allein wird es nicht richten, es braucht im Interesse der Wirtschaft ökologisches Handeln im Verbund mit Kooperation, gesellschaftlichem Diskurs, Inklusion und Zusammenhalt. Und viele Reformen vonseiten der Politik sowieso.

Kurt Kotrschal, Verhaltensbiologe i. R. Uni Wien, Wolf Science Center Vet-Med-Uni Wien, Sprecher der AG Wildtiere/Forum Wissenschaft & Umwelt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com
Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.