Leitartikel

Warten wir nicht ab, bis die nächste Katastrophe wirklich da ist

Die Reaktion der Politik auf den Beinahe-Blackout ist befremdlich
Die Reaktion der Politik auf den Beinahe-Blackout ist befremdlich(c) imago images/YAY Images (via www.imago-images.de)
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Die Reaktion der Politik auf den Beinahe-Blackout ist befremdlich: Das Risiko wird zu Unrecht kleingeredet. Wir brauchen keine Panik, aber einen Plan.

Kein Licht, kein Handynetz, kein Internet, kein Supermarkt, keine U-Bahn, keine Tankstelle, ja nicht einmal ein Skilift. 30 Minuten nach einem flächendeckenden Stromausfall ist in manchen Regionen Österreichs selbst der Notruf nur noch über ein altes Festnetztelefon zu erreichen. Nach zwei, drei Tagen geht den Notstrom-Aggregatoren der Sprit aus und auch die letzte Fabrik steht still. Jeder Tag Blackout würde Österreich eine Milliarde Euro kosten. In einem Land, in dem zuletzt 1976 die Lichter ausgegangen sind, ist das zum Glück ein theoretisches Szenario. Zumindest bis vor einigen Wochen.


Anfang Jänner hat der Kollaps eines Umspannwerks in Kroatien gezeigt, wie fragil diese Sicherheit ist. 40 Sekunden nach dem Zwischenfall in Kroatien waren so viele Leitungen in Europa überlastet, dass sich das europäische Stromnetz, das sonst von Istanbul bis Lissabon verbunden ist, in zwei Hälften teilte, um einen Blackout in Europa zu verhindern.
Die Übung ist gelungen. Der flächendeckende Stromausfall blieb aus. Dafür gebührt den Energieversorgern und Netzbetreibern Lob. Die Reaktion der Politik nach dem Motto: „Gut is' 'gangen, nix is' g'schehn“ ist allerdings verstörend. Statt die Episode als Weckruf zu erkennen, klopft man sich lieber gegenseitig auf die Schulter. Wen kümmert es schon, dass das Bundesheer den Blackout seit Jahren als größtes Sicherheitsrisiko für das Land ansieht? Es geht jetzt nicht darum, in Panik zu verfallen. Die Zeiten sind anspruchsvoll genug. Aber genau die aktuelle Krise veranschaulicht dramatisch, was passiert, wenn man auf derartige Szenarien nicht vorbereitet ist.

Zunächst: Die Chance, dass in Österreich Strom aus der Steckdose kommt, ist so hoch wie in wenig anderen Ländern. Doch es kann schnell gehen: Ein Hackerangriff, ein großer Sturm oder eine plötzliche Überlastung der Leitungen reicht aus – und das Unvorstellbare wird wahr. Schon jetzt nehmen die Schwankungen im Netz zu und in den kommenden Jahren wird es noch schwieriger werden, die Balance zu halten. Denn erstens ist Österreich auch von der Stabilität der Stromversorgung in Ländern von Bulgarien bis Südspanien abhängig. Und zweitens steht der Kontinent vor einem gewaltigen Umbau des Energiesystems, der bisher zu unkoordiniert abläuft. Im nächsten Jahrzehnt werden Zigtausende Wind- und Solarkraftwerke gebaut werden. Das ist gut so. Aber es birgt Gefahren, die zu gern ausgeblendet werden. An heißen Sommertagen werden Europas Netze mit Grünstrom überflutet werden, an kalten Wintertagen wird es dennoch nicht immer reichen. Im Jänner konnte Deutschland seinen Bürgern nur deshalb Strom liefern, weil Atom- und Kohlekraftwerke auf vollen Touren liefen. Von beiden Technologien will sich Berlin bald verabschieden. Und was dann?

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