Verfassungswidrig

Darf "Hackler" Übergenuss behalten?

Ein gelernter Schuhmache reparierte in der "Hacklerpension" in kleinerem Umfang Schuhe (Symbolbild).
Ein gelernter Schuhmache reparierte in der "Hacklerpension" in kleinerem Umfang Schuhe (Symbolbild).(c) REUTERS (Ruben Sprich)
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Der VfGH sieht den Rechtsstaat verletzt, weil Arbeits- und Sozialgerichte die Rückforderung von Versicherungsleistungen nicht ermäßigen können.

Wien. Wenn das Arbeits- und Sozialgericht prüft, ob die Sozialversicherung zu Recht Versicherungsleistungen zurückverlangt, muss es auch Ermessen üben können und eine teilweisen Erlass anordnen können. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschieden. Anlass dazu war ein Fall, in dem man auch ohne große Mitleidsappelle eine gewisse Härte erblicken wird.

Ein gelernter Schuhmacher, der im Jahr 2010 in vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (vulgo Hacklerpension) gegangen war, reparierte danach in kleinerem Umfang Schuhe. Im Jahr darauf überschritt er mit seinen deklarierten Einkünften die damalige Geringfügigkeitsgrenze von 4488,24 Euro um knapp 1000 Euro. Die Sozialversicherung forderte deshalb Jahre später 12.596,64 Euro an Pensionszahlungen für 2011 zurück – obwohl der Mann unter Berücksichtigung von nachträglich vorgeschriebenen Pensions- und Krankenversicherungsbeiträgen für jenes Jahr die magische Grenze um rund 1000 Euro unterschritten hatte.

Schuster darf wieder hoffen

Der Pensionist klagte daraufhin. Das Arbeits- und Sozialgericht fand seinen Einwand gegen die Rückzahlungspflicht aber nicht stichhaltig; und eine etwaige Kürzung im Ermessen sei im Gesetz ausdrücklich dem Sozialversicherungsträger vorbehalten. Also beantragte der Mann eine Gesetzesprüfung durch den VfGH. Das Höchstgericht teilte seine rechtsstaatlichen Bedenken: Alle dem Staat zurechenbaren Akte müssen in rechtsstaatlicher Weise überprüfbar sein. Der Ausschluss einer Ermessensausübung durch die Arbeits- und Sozialgerichte belaste jedoch den Rechtsschutzsuchenden einseitig mit dem Rechtsschutzrisiko: Denn das Gericht könne die Rückzahlungspflicht nur voll bestätigen oder ganz verneinen, ohne sie auch – wie die Sozialversicherung – mindern zu können.

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